Entwurf des Finanzplans 2016 bis 2020

21.09.2016
Debattenbeitrag

 Landtagssitzung 21. September

Tobias Koch [CDU]:
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine freie Schulwahl über die Landesgrenzen von Hamburg und Schleswig-Holstein hinweg das hatten SPD und Grüne im Landtagswahlkampf versprochen, und so fand es sich auch im rot-grünblauen Koalitionsvertrag wieder.

(Zuruf Dr. Ralf Stegner [SPD])

Danach passierte erst einmal jahrelang nichts. Am Ende waren sich die Koalitionäre selbst nicht mehr ganz sicher, ob sie tatsächlich eine freie Schulwahl oder vielleicht doch nur eine gemeinsame Bildungsplanung mit Hamburg versprochen hatten.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Ja!)

Dann aber kurz vor der Sommerpause der vermeintliche Durchbruch: eine freie Schulwahl zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein für alle weiterführenden allgemeinbildenden Schulen in den Jahrgangsstufen 5 und 11, zwar nicht sofort, aber immerhin ab dem Schuljahr 2017/2018. - Was für eine fantastische Nachricht für die Kreise in der Metropolregion.

(Demonstrativer Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und Beifall HansJörn Arp [CDU])

Tausenden von Schülern, denen bislang ein Schulbesuch in Hamburg verwehrt war, können zukünftig ihre Wünsche erfüllt werden. All diejenigen, die sich bisher mit einer getürkten Adresse bei Verwandten oder Freunden in Hamburg angemeldet hatten,

(Martin Habersaat [SPD]: „Getürkt“ wollen wir nicht mehr verwenden, 2016!)

können jetzt wieder zu ihren Eltern nach Hause ziehen und trotzdem die Schule in Hamburg besuchen. Und all die Ehepaare, die sich extra getrennt hatten, damit ein Elternteil mit dem Sprössling nach Hamburg ziehen konnte, können jetzt wieder eine Familie sein.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Ich hoffe, Sie sind nicht persönlich betroffen!)

Und für all das muss Schleswig-Holstein noch nicht einmal einen einzigen Cent dazubezahlen; denn die Ausgleichszahlung bleibt auf dem jetzigen Niveau einschließlich der jährlichen Dynamisierung. Somit geradezu ein sensationelles Ergebnis für den Landeshaushalt, wenn man an frühere Hamburger Millionenforderungen zurückdenkt.

(Heiterkeit und anhaltender demonstrativer Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Zurufe SPD: Bravo!)

Präsident Klaus Schlie:
Herr Abgeordneter Koch, die Zeit schreiben wir Ihnen gut.

Tobias Koch [CDU]:
Vielen Dank.

(Heiterkeit)

Ich bin ja mal gespannt, ob Sie jetzt noch weiter klatschen oder ob ich gleich noch etwas mehr Applaus von meinen eigenen Leuten kriege.
All das wäre ja alles ganz ganz prima, wenn es da nicht zwei gravierende Einschränkungen gäbe,

(Zurufe: Ah!)

die genau das wieder konterkarieren, was ich gerade so schön vorgetragen haben.

(Beifall CDU - Zuruf Dr. Ralf Stegner [SPD])

Die freie Schulwahl gilt gemäß Artikel 1 des neuen Gastschulabkommens nur im Rahmen der freien Kapazitäten in Hamburg.

(Zurufe SPD: Ach! - Birgit Herdejürgen [SPD]: Wie ist es in Schleswig-Holstein?)

- Sie sprechen von einer echten, freien Wahl für die Eltern, aber eine freie Schulwahl, einen Rechtsanspruch darauf, wird es in dem neuen Gastschulabkommen überhaupt nicht geben.

(Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fordern Sie den?)

- Nein, ich lasse jetzt keine Zwischenfrage zu.
Mit anderen Worten: Nur wenn in einer Hamburger Schule noch ein oder zwei Plätze frei sind, bevor der Klassenteiler erreicht wird, dann und nur dann können diese Plätze an Schleswig-Holsteiner vergeben werden, die sich dann in einer vollbesetzten Klasse mit maximaler Größe wiederfinden. Von einer echten, freien Schulwahl kann also in der Praxis gar keine Rede sein, sondern eher von einer Restplatzbörse, bei der man in der Verteilung entweder einen der wenigen freien Plätze abbekommt oder eben nicht.

Präsident Klaus Schlie:
Herr Abgeordneter Koch, gestatten Sie eine Bemerkung des Abgeordneten Habersaat.

Tobias Koch [CDU]:
Ja, wie könnte ich es meinem Kollegen aus dem Kreis Stormarn verwehren?

(Anita Klahn [FDP]: Da wüsste ich schon Gründe! - Heiterkeit)

Martin Habersaat [SPD]: Herr Kollege Koch, ist Ihnen bekannt, dass auch in unserem schönen Kreis Stormarn für Schülerinnen und Schüler, die innerhalb des Kreises Stormarn eine Schule anwählen, die freie Schulwahl da aufhört, wo eine Schule voll ist?
- Durchaus.

(Anke Erdmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, aber? Restplatzbörse! - Zuruf SPD: Wo ist der Skandal, den Sie versuchen, hier herbeizureden? - Weitere Zurufe -

Anita Klahn [FDP]: Ich hätte die Frage nicht zugelassen! - Beifall Anke Erdmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Schön, Herr Habersaat, dass gerade Sie gefragt haben.
Ganz besonders bitter ist diese neue Regelung gerade für die Gemeinde Barsbüttel, Herr Kollege Habersaat. Wegen der besonderen örtlichen Gegebenheiten konnten nach dem alten Gastschulabkommen alle Schülerinnen und Schüler aus Barsbüttel ein Hamburger Gymnasium besuchen. Mit dem neuen Gastschulabkommen sind jetzt auch die Barsbütteler davon abhängig, ob in Hamburg freie Kapazitäten bestehen oder nicht. Sollten also bereits alle Plätze in Hamburg mit Hamburger Schülern belegt sein, dann kann im schlimmsten Fall zukünftig kein einziger Schüler aus Barsbüttel mehr das nächstgelegene Gymnasium in Hamburg besuchen. Das neue Gastschulabkommen geht damit ganz klar zulasten der Gemeinde Barsbüttel.
Sollten nun alle diese Befürchtungen nicht eintreten, weil vielleicht doch ausreichende Kapazitäten in Hamburg zur Verfügung stehen, dann greift allerdings die zweite gravierende Einschränkung im neuen Gastschulabkommen. Die Ministerin wies darauf hin. Der Vertrag ist auf zwei Jahre befristet. Im Artikel 7 haben beide Bundesländer vereinbart, nach Ablauf von zwei Jahren die Entwicklung der Schülerzahlen zu analysieren und die daraus resultierenden Anpassungsbedarfe zu bewerten.
Sollten also die tatsächlichen Schülerzahlen von jetzt knapp 5.000 auf dann zum Beispiel 8.000 Schüler gestiegen sein, dann wird Hamburg die Rechnung aufmachen, dass dafür Kosten von rund 40 Millionen € pro Jahr anfallen, die weit oberhalb des vereinbarten Ausgleichsbetrages von 13,6 Millionen € liegen. Dann wird es für Schleswig-Holstein ab 2019 also richtig teuer; denn welche Landesregierung will den Schülerinnen und Schülern erklären, dass sie ihren Schulbesuch in Hamburg wieder abbrechen und nach SchleswigHolstein zurückkehren müssen, weil sich unser Bundesland diese Mehrkosten nicht leisten kann?

(Zuruf Dr. Ralf Stegner [SPD])

Hamburg sitzt also bei den Verhandlungen in zwei Jahren deutlich am längeren Hebel.
An dieser Stelle merkt man, dass die Landesregierung mal wieder einen ungedeckten Wechsel auf die Zukunft ausgestellt hat.

(Zurufe SPD: Oh!)

Die großen Ankündigungen werden jetzt vor der Landtagswahl gemacht, nach der Landtagswahl kommt dann der Kater entweder in Form von bitterer Enttäuschung, wenn die freien Kapazitäten in Hamburg viel zu gering sind, oder in Form einer gepfefferten Rechnung aus Hamburg.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Sie wollen auf unsere Liste? - So wird das nichts!)

- Herr Dr. Stegner, so darf man die Menschen nicht hinters Licht führen, indem man eine vermeintliche Lösung präsentiert, diese vor der Wahl großartig bejubelt, die Lösung aber erst nach der Wahl zum Schuljahr 2017/2018 in Kraft tritt und es dann der nächsten Regierung überlassen bleibt, den Ärger über die begrenzten Kapazitäten auszubaden oder eben das Scheckbuch zu zücken. Ein ehrliches Verhandlungsergebnis ist es jedenfalls nicht, was Sie mit diesem Gastschulabkommen erzielt haben.

Präsident Klaus Schlie:
Herr Abgeordneter!

Tobias Koch [CDU]:
Vielen Dank, Herr Präsident.

(Vereinzelter Beifall CDU - Zuruf Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])