Die richtigen politischen Entscheidungen getroffen

17.04.2020

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren,

auch wenn die heutige Landtagssitzung unter noch außergewöhnlicheren Umständen stattfindet als die letzte Sitzung im März, will ich doch zuallererst sagen: Es ist schön, wieder hier zu sein!

Es ist eine Freude, die Kolleginnen und Kollegen wieder persönlich zu sehen und sich im direkten Gespräch – wenn auch mit Mundschutz und entsprechendem Abstand – untereinander austauschen zu können. Die unzähligen Telefon- und Videokonferenzen der letzten fünf Wochen sind wirklich kein Ersatz für dieses menschliche Miteinander! Man glaubt es kaum, aber Ihr und Sie alle haben mir in den letzten Wochen tatsächlich gefehlt! Ich hoffe, das gilt auch umgekehrt.

Meine Damen und Herren, Deutschland hat diese Krise bislang besser gemeistert als die meisten anderen Länder in Europa. Wir haben in Deutschland weniger Tote als in Belgien mit seinen gerade einmal 11 Millionen Einwohnern. Wir haben trotz der größeren Bevölkerungszahl in Deutschland weniger Infizierte als Frankreich. Die Todesrate fällt bei uns sogar um rund 80 Prozent niedriger aus. Diese Aufzählung ließe sich jetzt beliebig weiter fortsetzen. Von Italien oder Spanien will ich an der Stelle gar nicht reden. Zurecht findet die geringe Mortalitätsrate in Deutschland deshalb weltweite Beachtung. Das ist zu allererst all den Menschen zu verdanken, die sich in den letzten Wochen in vorbildlicher Art und Weise an die Regeln gehalten haben. Dafür möchte ich gleich zu Beginn meiner Rede Danke sagen.

Ganz offensichtlich sind bei uns in Deutschland aber auch die richtigen politischen Entscheidungen getroffen worden. Daran hat auch unsere Landespolitik in Schleswig-Holstein ihren Anteil. Ich will noch einmal daran erinnern, dass wir das erste Bundesland gewesen sind, das Restaurants und Gaststätten geschlossen hat. Auch mit dem Betretungsverbot für die Inseln haben wir schnell und konsequent gehandelt, um die medizinische Versorgung der einheimischen Bevölkerung sicherzustellen. Dank dieser Maßnahmen haben wir Zeit gewonnen. Zeit, um unser Gesundheitssystem besser auf das Risiko hoher Infektionszahlen mit vielen Intensivpatienten vorzubereiten.

Das ist in den letzten Wochen gut gelungen. Gestartet sind wir in Schleswig-Holstein mit 625 Intensivbetten mit Beatmungskapazität, jetzt liegen wir schon bei über 900. Also ein Zuwachs von 50 Prozent innerhalb von nur fünf Wochen. Danke dafür allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Krankenhäusern und im Sozialministerium, die daran mitgewirkt haben! Wir konnten deshalb sogar europaweite Unterstützung leisten, indem wir im Rahmen unser freien Kapazitäten Patienten aus Frankreich bei uns in Schleswig-Holstein aufgenommen und hier behandelt haben. Das halte ich für ein ganz wichtiges Zeichen von europäischer Solidarität inmitten dieser weltweiten Krise. Angesichts der erzielten Erfolge und angesichts eines nunmehr fünfwöchigen, weitgehenden Shutdowns mit all seinen Konsequenzen, kann ich den Wunsch und die Hoffnung vieler Bürgerinnen und Bürger nach der Rückkehr zu einem normalen öffentlichen Leben gut nachvollziehen.

Aber, meine Damen und Herren, die Krise ist noch nicht vorbei! Das Virus ist nicht besiegt, sondern es droht jederzeit eine neue Infektionswelle, wenn wir in unseren Anstrengungen nachlassen. Das darf nicht passieren! Solange wir über keinen Impfstoff gegen das SARS-CoV-2-Virus verfügen, besteht nach wie vor das Risiko einer Überlastung unseres Gesundheitswesens mit der Folge vieler Todesfälle. Wie groß das Risiko für vulnerable Gruppen ist, das macht die Situation in den Alten- und Pflegeheimen besonders deutlich: 22 Todesfälle im Würzburger Pflegeheim St. Nikolaus unter den dort 95 Bewohnern und sogar 41 Tote im Wolfsburger Hanns-Lilje-Pflegeheim mit 160 Bewohnern. Das Alten- und Pflegeheim in der Gemeinde Rümpel bei mir im Kreis Stormarn wird sich hoffentlich nicht in diese Reihe der Todeszahlen eingliedern. Die Situation ist aber auch hier besorgniserregend genug. 57 der 70 Bewohner und 21 der 58 Mitarbeiter haben sich bereits mit dem Virus infiziert. Heute mussten wir leider vom ersten Todesfall in dieser Einrichtung erfahren.

Diese Beispiele zeigen, wie gefährlich das Virus für bestimmte Risikogruppen ist. Und es ist unsere Aufgabe als Politik, für einen bestmöglichen Schutz dieser besonders gefährdeten Menschen zu sorgen. Aber auch bei deutlich jüngeren Patienten ohne Vorerkrankungen hat es bereits Todesfälle gegeben, so dass niemand davor sicher sein kann, selbst Opfer dieser Pandemie zu werden.

Und bei aller Erleichterung darüber, dass wir in Deutschland nur die vergleichsweise geringe Zahl von bislang weniger als 4.000 Toten zu verzeichnen haben, so dürfen wir bei dem Blick auf die Statistik nie vergessen, dass hinter jeder Zahl ein persönliches Schicksal steht. Mein Mitgefühl – und das kann ich sicherlich für sämtliche Mitglieder dieses Hauses sagen - gilt allen Familienangehörigen, die durch Corona einen geliebten Menschen verloren haben!

Meine Damen und Herren, deshalb fand ich die zahlreichen politischen Äußerungen über die Ostertage mit den unterschiedlichsten Lockerungsvorschlägen und Hochfahrplänen sowie den angestrebten breiten politischen Debatten darüber ehrlich gesagt allesamt entbehrlich und unangemessen – und zwar egal von welcher politischen Couleur. Ich konnte mich dabei des Eindrucks nicht erwehren, dass es hierbei weniger um die Sache selbst gegangen ist, als vielmehr um die politische Profilierung. Sei es aufgrund schlechter Umfragewerte für die eigene Partei oder sei es zur persönlichen Profilierung innerhalb einer Partei – und dabei schließe ich die eigenen Parteifreunde explizit mit ein. Eine Rollenverteilung, bei der die Einen für die Bekämpfung des Virus und dafür erforderliche harte Einschnitte zuständig sind und die anderen den Menschen eine baldige Rückkehr zur Normalität versprechen und deshalb auf Lockerungen drängen, das kann und wird nicht funktionieren. Was wir in dieser Krise brauchen ist ein Maximum an Gemeinsamkeit und Geschlossenheit, sowohl innerhalb einer Partei als auch parteiübergreifend zwischen Regierung und Opposition. Zeiten, in denen es um Menschenleben geht, sind wahrlich nicht die Momente für politisches Taktieren. Das gilt heute genauso wie zu Beginn der Krise, als wir das hier im Landtag in außerordentlicher Weise unter Beweis gestellt haben!

Meine Damen und Herren, in der Sache selbst war und ist doch auch schon vor diesem Mittwoch vollkommen klar gewesen, dass es nur um eine schrittweise Rückkehr zur Normalität gehen kann. Vollkommen klar war dabei auch, dass diese Schritte sehr behutsam angegangen werden müssen, um nicht die bislang erreichten Erfolge wieder zunichte zu machen. Alles andere wäre leichtsinnig, wenn nicht sogar grob fahrlässig. Würden im Falle einer voreiligen oder einer zu weitgehenden Lockerung die Infektionszahlen wieder drastisch nach oben schnellen, dann hätten wir das Vertrauen der Bevölkerung verspielt und ein erneuter Shutdown wäre dann viel, viel schwerer umsetzbar als beim ersten Mal.

Solch eine Irrfahrt kann und darf sich Politik nicht erlauben. Deshalb gilt in dieser wie auch schon in früheren Krisen das erfolgreiche Konzept unserer Bundeskanzlerin, nämlich komplexe Probleme mit kleinen Schritten Stück für Stück zu lösen. Darauf können die Menschen in Deutschland vertrauen. Wir können froh sein, dass wir Angela Merkel als Bundeskanzlerin haben, die Deutschland wieder einmal sicher durch eine solche Krise steuert.

Und deshalb meine Damen und Herren, machen wir jetzt genau das, was nach diesem Konzept der richtige Weg ist, indem wir kommenden Montag mit ersten, sorgfältig abgewogenen Entlastungen beginnen. Sämtliche Geschäfte dürfen eine Verkaufsfläche von bis zu 800 qm wieder nutzen, Büchereien und Archive dürfen wieder öffnen und in Schleswig-Holstein haben wir uns dafür entschieden, auch die Tierparks wieder aufzumachen – alles natürlich unter Einhaltung von strikten Abstands- und Hygieneregeln und bei begrenzten Besucherzahlen. Andere Auflagen bleiben dagegen im vollen Umfang bestehen: Es gilt unverändert ein strenges Kontaktverbot, öffentliche und private Veranstaltungen sind untersagt, Kitas und Schulen bleiben bis auf Notbetreuung und die Durchführung und Vorbereitung von Abschlussprüfungen geschlossen, das touristische Betretungsverbot ist weiterhin in Kraft. Restaurants, Bars, Diskotheken, Theater, Kinos, Freizeitparks, Spielhallen, Schwimm-bäder, Fitnessstudios – all diese Einrichtungen bleiben auch zukünftig geschlossen.

Zumindest für die nächsten zwei Wochen. Denn bereits ab dem 4. Mai können bei einer unverändert flachen Infektionskurve weitere Öffnungsmaßnahmen erfolgen. Das hat der Ministerpräsident deutlich gemacht und dafür haben wir in der Koalition auch schon konkrete Schritte in Aussicht gestellt, nämlich die Wiederaufnahme des Schulbetriebs für die Abschlussklassen des nächsten Schuljahres sowie für die 4. Klassen der Grundschulen, für kontaktarme Sportaktivitäten im Außenbereich sowie für Museen und Botanische Gärten. Die Wiedereröffnung von Restaurants wird dann hoffentlich in einem weiteren zeitnahen Schritt erfolgen können. Genauso wird es an den Schulen, bei Veranstaltungen und vielleicht auch noch in diesem Sommer in der für unser Bundesland so wichtigen Tourismusbranche peu à peu weitere Lockerungen geben. Schritt für Schritt werden wir so zu einem normalen öffentlichen Leben zurückkehren und dabei gleichzeitig noch über viele Monate mit dem Virus leben müssen, bis wir hoffentlich über einen Impfstoff verfügen.

Dabei dürfen wir nie aus dem Auge verlieren, dass unsere medizinischen Kapazitäten trotz der erhöhten Zahl von Intensivbetten und Beatmungsgeräten begrenzt sind. Wir würden deshalb das Leben von Menschen riskieren, wenn wir unvorsichtige, übereilte oder falsche Entscheidungen treffen.

Bei unserer Landesregierung liegt das in guten Händen. Darüber bin ich froh und dankbar! Genauso möchte ich abschließend aber auch die Arbeit eines jeden Landtagsabgeordneten, der Landtagsverwaltung und der Mitarbeiter der Faktionen in unserem Haus würdigen. Die Anzahl von Telefonaten, von E-Mails und sonstigen Bürgeranfragen ist im Augenblick schier überwältigend und jeder von uns erfüllt dabei eine ganz, ganz wichtige Kommunikationsfunktion. Gleichzeitig fungiert jeder Abgeordnete quasi als Seismograph und Stimmungsbarometer, der mit seinen Rückmeldungen Input für das Handeln der Regierung gibt.

Ihnen und Euch allen an dieser Stelle mein herzlicher Dank für diese Arbeit! Lasst uns, lassen Sie uns so weiterwachen, wie wir bisher diese Krise gemeistert haben.

Herzlichen Dank!