„In der Mitte der Gesellschaft angekommen“

Staatssekretärin Kristina Herbst und Tobias Koch sprachen bei Acer in Ahrensburg über das Thema E-Sports

Es war eine überraschende Nachricht, die mitten in der Corona-Krise von Medien verbreitet wurde. 26 der 36 Profiklubs aus der Ersten und Zweiten Fußball-Liga in Deutschland starteten am 28. und 29. März in einem neuen Wettbewerb, unter anderem mit RB Leipzig gegen den HSV und dem FC St. Pauli gegen Schalke 04 am ersten Spieltag. Wichtiger Zusatz: Das Ganze wurde quasi in Quarantäne ausgetragen, in sportlichen Konkurrenzen ohne jeden Körperkontakt. Es ging nämlich um virtuelle Wettkämpfe in der Fußball-Simulation „FIFA 20“, also um eine Disziplin des elektronischen Sports, kurz E-Sport. Der öffentlichkeitswirksame Clou an diesen Freundschaftsspielen: Jedes Team bestreitet zwei Spiele, in denen jeweils nicht nur zwei E-Sport-Profis gegeneinander antreten, sondern auch zwei echte Fußballprofis, darunter Sonny Kittel (HSV) und Marvin Knoll (St. Pauli).

Die Gamer nutzen mit der sogenannten Bundesliga Home Challenge die Pause im realen Profi-Fußball, um größere Aufmerksamkeit für virtuelle Matches auch bei denen zu bekommen, die nicht ahnen, wie unterhaltsam und anspruchsvoll E-Sport-Wettbewerb sein kann und welch rasanter Wachstumsmarkt sich abseits der großen öffentlichen Wahrnehmung entwickelt. Ein Kommentator auf dem Portal esports.com schrieb: „Eine willkommene Chance, neue Fans zu gewinnen oder zumindest die nächsten Brücken zum Verständnis für professionelles Videospielen zu schaffen.“

Zu diesem Thema passte der letzte öffentliche Termin in der Woche vor den ersten Einschränkungen zum Schutz vor dem Corona-Virus, den Tobias Koch, Vorsitzender der CDU-Fraktion im Kieler Landtag, im März in seinem Wahlkreis wahrnahm. Begleitet wurde der Stormarner Landtagsabgeordnete von Kristina Herbst, Staatssekretärin im Innenministerium, in deren Zuständigkeit auch der Bereich E-Sports fällt. Ziel der beiden war die Deutschland-Zentrale des taiwanesischen Computer-Unternehmens Acer Computer GmbH in Ahrensburg. Acer ist mit seiner Marke Predator führend auf dem deutschen Markt für High-End-Gaming-Notebooks, -Computer und -Monitore, also die Hardware, mit der E-Sport idealerweise betrieben werden kann.

Hintergrund des Besuches war das große Interesse der Landesregierung am E-Sport. Schleswig-Holstein hatte 2017 als erstes Bundesland die Förderung des E-Sports im Koalitionsvertrag verankert. Ein Beispiel dafür, dass eine auf die Zukunft ausgerichtete Politik digitale Entwicklungen frühzeitig erkennen kann und sie auch mitgestalten will, statt nur auf das zu reagieren, was der Markt vorgibt. „Wir möchten in Schleswig-Holstein das Engagement des E-Sports positiv aufnehmen, um eine effektive Jugendarbeit, eine Anerkennung der ehrenamtlichen Arbeit und eine feste gesellschaftliche Integration des E-Sports in das Gemeinwesen anzustreben”, hatte Kristina Herbst schon 2018 bei einer Podiumsdiskussion auf dem jährlichen Fachkongress „German eSports Summit“ in Berlin gesagt.

Für die Kieler Staatssekretärin ist E-Sport „ein Leuchtturmprojekt“. „Unsere Zielgruppe ist die Breitensportebene.“ Gaming sei eine familientaugliche, Menschen verbindende Freizeitgestaltung — und könne entgegen gängigen Vorurteilen „viel mehr als Daddeln und Ballerspiele“ bieten. Robert Perenz, Geschäftsführer von Acer Deutschland, betonte bei dem Treffen, dass E-Sport mit dem realen Sport zusammenwachse. Das sei international wie etwa in Frankreich bereits akzeptiert, und der noch skeptische Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) als Dachverband könne das auf Dauer nicht ignorieren — zumal selbst Spitzensportler verschiedener Disziplinen wie Segler, Ruderer und Radfahrer digitale Angebote ihrer Sportarten speziell im Wintertraining nutzten. Außerdem, so Perenz, sei Gaming ein rasant wachsender Markt mit gigantischen Userzahlen, der weltweit schon 2021 mehr Umsatz machen werde als die Filmbranche, also ein bedeutsamer wirtschaftlicher Faktor.

Staatssekretärin Kristina Herbst sprach bei Acer über die Motivation der Landesregierung, sich für den E-Sport zu engagieren. „Gespielt wird so oder so, die Politik sollte die Chance nutzen als Mitspieler dabei zu sein.“ Dabei gehe es wesentlich um das Erkennen von Chancen, die Einflussnahme über funktionierende Strukturen in Vereinen, damit zum Beispiel Regeln wie der Jugendschutz eingehalten würden. Kristina Herbst sieht viel positives Potenzial im E-Sport: „Der Wettbewerb ist niedrigschwellig, der Wettkampf kann inklusiv, integrativ, geschlechter- und generationenübergreifend sein. Unterm Strich ist völlig egal, wer du bist.“ Matthias Terpe, Kaufmännischer Geschäftsleiter Acer Deutschland, ergänzte, dass E-Sport verschiedenste Fertigkeiten fördere: „Es geht eben, je nach Spiel, nicht immer um Reaktionsschnelligkeit und Koordination, sondern auch um strategisches Handeln und um Teamfähigkeit. Im professionellen Bereich ist das Ganze so anspruchsvoll, dass zur Vorbereitung ebenso physisches wie psychologisches Training und Ernährungsprogramme gehören.“

Die Grundfrage „Ist das Sport?“ hat die Landesregierung in Schleswig-Holstein bereits vor drei Jahren im Koalitionsvertrag bejaht — ein Ausdruck dessen ist, dass das Thema im Innenministerium (für Sport zuständig) und nicht im Wirtschaftsressort angesiedelt wurde. Ein großer Schritt auf dem Weg zum Aufbau von Strukturen einer heutigen Jugendkultur ist die finanzielle und inhaltliche Unterstützung des aktuell entstehenden Landeszentrums für eSport und Digitalisierung Schleswig-Holstein (LEZ SH) in Kiel, das als bundesweit erstes offizielles eSport-Kompetenzzentrum eine Vorbildfunktion einnehmen soll, beispielsweise bei der Medienkompetenzschulung und der Suchtprävention. Außerdem hat die Fachhochschule Westküste im Auftrag der Landesregierung schon vor einem Jahr ein Konzept zur Gründung einer E-Sport-Akademie in Heide für ein akademisch fundiertes Weiterbildungsangebot erarbeitet, das sich an Übungsleiter von Breitensportvereinen, an Schulen, an Eltern und an Freizeit-E-Sportler wendet.

Die Landesregierung setzt darauf, unterschiedlichste Beteiligte in das entstehende Netzwerk einzubringen, auch traditionelle Sportvereine, Krankenkassen und Digitalunternehmen. Dazu sagte Acer-Geschäftsführer Robert Perenz beim Treffen mit Staatssekretärin Herbst und dem CDU-Fraktionsvorsitzenden Koch: „Wir als Hersteller haben ein starkes Interesse daran, das Image des E-Sports an die Realität anzugleichen und negative Vorstellungen vom Gaming zu korrigieren.“ Sein Kollege Matthias Terpe fügte hinzu: „Wir können ein starker Partner sein, der sich in Digitalisierung, Gaming und Education auskennt.“ Ein Angebot, das Staatssekretärin Kristina Herbst gern aufgriff: „Es ist gut, beim Thema E-Sport in Schleswig-Holstein kompetente Partner an der Seite zu haben.“

Auch Tobias Koch war zufrieden mit dem Erfahrungsaustausch. „Durch die wachsende Begeisterung insbesondere junger Menschen ist das Thema E-Sports in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Politik muss solche Trends früh aufgreifen und breit aufgestellt dafür sorgen, dass Entwicklungen gestaltend begleitet werden können. Dabei ist es nötig, viele kompetente Partner im Boot zu haben. Ich freue mich darüber, dass ein wichtiges Stormarner Unternehmen dabei sein will.“