
Debattenbeitrag in der Landtagssitzung vom 22. Februar 2012
Tobias Koch [CDU]:
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da haben wir uns die ganze Zeit gefragt, wie die SPD ihre ganzen Wahlversprechen finanzieren will - seit heute wissen wir es: durch zusätzliche Schulden.
(Beifall bei CDU und FDP)
Das Erschreckende daran ist, dass sich die Grünen zum Erfüllungsgehilfen für diese Politik machen.
(Lachen bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Mit einem erheblichen Maß an Verbitterung muss ich feststellen, dass Sie zwei Monate vor der Wahl alle Bekenntnisse zur Haushaltskonsolidierung und nachhaltigen Finanzpolitik über Bord werfen und nahtlos an die Verschuldungspolitik von Rot- Grün anknüpfen, die Sie in früheren Jahren praktiziert haben.
(Beifall bei CDU und FDP)
Wie anders klang es bei den Grünen noch bei den Haushaltsberatungen 2010. Frau Präsidentin, ich darf mit Ihrer Genehmigung die Pressemitteilung von Frau Heinold vom 6. September 2010 zitieren: „Die Schuldenbremse führt … zu einer dramatisch hohen Neuverschuldung … Nach der alten Verschuldungsgrenze - die sich am Investitionsbegriff orientierte - … lag die Kreditaufnahmegrenze … bei höchstens
670 Millionen €.“
(Zuruf der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Das war Ihre Kritik damals. Was sagt die Landesregierung im Gesetzentwurf? Für 2012 eine Kreditobergrenze nicht von 670 Millionen €, sondern von 895 Millionen €. Da sagen Sie, das reicht uns nicht, 895 Millionen € sind zu wenig, wir brauchen 1,054 Milliarden €. - Das ist dramatisch hoch.
(Beifall bei CDU und FDP)
Gerade gestern hat die Landesregierung ihre Eckwerte für den Doppelhaushalt 2013/14 beschlossen. Damit sieht die Landesregierung für 2012 nur noch eine Kreditaufnahme von 490 Millionen € vor. Und Sie wollen 1,054 Milliarden € Schulden aufnehmen. Das sind 564 Millionen € mehr als die Landesregierung vorsieht. Sie wollen weniger Schulden machen mit mehr Schulden und dafür Zinsen zahlen. - Das sind doch keine Investitionen in die Zukunft des Landes!
(Beifall bei CDU und FDP)
Mit Ihrem Gesetzentwurf werden Sie den Schuldenberg bis 2020 um weitere 1,8 Milliarden € erhöhen und nicht in die Zukunft des Landes investieren. 500 Millionen € davon nehmen Sie direkt und tragen sie zur Bank und zahlen dafür wieder Zinsen. Ab 2020 haben Sie jährlich 70 Millionen € zusätzliche Zinsen zu zahlen. Das sind 1.400 Lehrerstellen, die Sie mit der Politik verspielt haben, die Sie heute einleiten.
(Beifall bei CDU und FDP)
Das ist in der Tat eine dramatische Wende, die die Politik in diesem Land nimmt. Alles, was Sie in den letzten zwei Jahren gesagt haben, ist nach dem Änderungsantrag, den Sie hier heute vorgelegt haben, Schall und Rauch.
(Beifall bei CDU und FDP)
Wenn ich jetzt noch Redezeit hätte, hätte ich Ihnen gern erläutert, dass die Verbesserung des strukturellen Defizits im Jahr 2011, die wir von 1,1 Milliarden € auf 718 Millionen € zurückgeführt haben, nichts, aber auch gar nichts mit Steuereinnahmen zu tun hat. Strukturelle Defizite haben nichts mit konjunkturellen Steuereinnahmen zu tun. Auch das haben Sie bisher noch nicht verstanden.
(Lebhafter Beifall bei CDU und FDP - Wolfgang Kubicki [FDP]: Schöner Tag! - Weitere Zurufe)
Vizepräsidentin Marlies Fritzen: Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Tobias Koch das Wort.
Tobias Koch [CDU]:
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die zusätzliche Redezeit gibt mir Gelegenheit, das noch einmal auszuführen, was ich vorhin mit meinem letzten Satz nur andeuten konnte, nämlich die Beurteilung des Jahresabschlusses 2011.
(Beifall des Abgeordneten Dr. Christian von Boetticher [CDU])
Das war ganz bemerkenswert. Der Kollege Dr. Habeck wusste schon, bevor die Zahlen überhaupt vorlagen, dass sich die Landesregierung für die Haushaltssanierung preisen würde, obwohl diese nur auf einer geringeren Kreditaufnahme aufgrund von Konjunktureffekten und billigeren Zinsen beruhen würde. Das war Ihre Pressemitteilung vom 31. Januar 2012. SPD-Spitzenkandidat Albig lässt auf die Frage, wie er denn die 120 Millionen € strukturelles Defizit pro Jahr verringern will, verlauten:
(Zuruf von der FDP: Hört, hört!)
Wenn wir auch nur 1 % mehr Wachstum erreichen, haben wir die 120 Millionen € mit Steuereinnahmen verdient. - Beide haben es einfach nicht verstanden. Strukturelles Defizit hat überhaupt nichts
mit Steuereinnahmen, Konjunktureffekten und mehr Wachstum zu tun.
(Vereinzelter Beifall bei CDU und FDP)
Strukturelles Defizit ist unabhängig von Konjunktur und Steuereinnahmen. Das Erfreuliche war, dass das strukturelle Defizit, das wir doch nun alle vor Augen haben - wir haben es heute den ganzen Tag rauf und runter diskutiert -, jetzt nur noch bei 718 Millionen € liegt, und zwar nicht aufgrund von Steuereinnahmen, sondern aufgrund von Minderausgaben beim Personal gegenüber den Haushaltsansätzen.
74 Millionen € weniger Personalausgaben als im Haushalt veranschlagt. 77 Millionen € Mehreinnahmen bei den Verwaltungseinnahmen. Das sind die großen Positionen, die zur Verbesserung des strukturellen Defizits geführt haben. Deswegen ist es falsch zu sagen, es sei der Regierung aufgrund der Wirtschaftsentwicklung nur so in den Schoß gefallen. Nein, das ist die eigene Leistung. Das ist die Umsetzung des Haushaltsplans ins Ist, die wirklich erfolgreich gelungen ist. Die Regierung hat das Geld wirklich zusammengehalten.
(Vereinzelter Beifall bei CDU und FDP)
Mit den gestrigen Eckwerten ist deutlich geworden, dass die Regierung diesen Kurs fortsetzt. Wir werden die Neuverschuldung nach dem gestrigen Eckwertebeschluss bis 2014 auf unter 400 Millionen €
reduzieren. Das wäre dann der niedrigste Wert seit 1979. So wenig Schulden haben wir seit mehr als 30 Jahren nicht gemacht, wenn wir auch zukünftig die Regierung hier stellen.
(Zuruf von der SPD: Nein! - Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])
- Das hoffe ich sehr, Herr Kollege Kubicki.
Jetzt kommen wir zum Ausführungsgesetz. Ich habe es vorhin schon gesagt. Es sind Obergrenzen, die hier definiert werden. Doch bevor ich diesen Gedanken ausformuliere, gestatte ich gern eine Zwischenfrage.
Vizepräsidentin Marlies Fritzen:
Vielen Dank, dass Sie meine noch nicht gestellte Frage positiv bescheiden. - Herr Abgeordneter Habeck, Sie haben das Wort.
Dr. Robert Habeck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Kollege Koch, wo Sie schon den Haushalt 2013 und 2014 in Eckwerten beschlossen haben, könnten Sie mir vielleicht spontan drei konkrete Maßnahmen nennen, wie die Landesregierung - sollte sie die Chance dazu haben - das strukturelle Defizit weiter verringern will? Jetzt mal so locker vom Tisch, drei Maßnahmen für die Zukunft.
Tobias Koch [CDU]:
Herr Kollege Habeck, wir sind jetzt bereits bei einem strukturellen Defizit von 718 Millionen € angekommen. Damit haben wir uns einen Vorsprung von zwei bis zweieinhalb Jahren erarbeitet. Wir nutzen jetzt diesen Vorsprung, um den Abbau der Neuverschuldung weiter zu beschleunigen, weil wir eben nur einen Teil dessen, was wir uns als Spielraum erarbeitet haben, zur politischen Schwerpunktsetzung einsetzen. Es wird von Ihnen kritisiert, dass wir auf einmal 25 Millionen € gefunden haben. Nein, die haben wir nicht gefunden, das ist der Spielraum, den wir uns durch Minderausgaben bei Personal, durch Mehreinnahmen der erwaltungseinnahmen erarbeitet haben. Damit setzen wir die Schwerpunkte für den Vertretungsfonds, für Schulsozialarbeit, für den Ausbau von Verkehrsinfrastruktur und für den Breitbandausbau. Das sind 25 Millionen €. Wir haben uns aber bei Personalund Verwaltungseinnahmen 100 Millionen € erarbeitet. Die restlichen 75 Millionen € stecken wir in den verstärkten, beschleunigten Abbau der Neuverschuldung.
Deswegen erreichen wir 2012, 2013, 2014 alle Ziele zum Abbau des strukturellen Defizits.
(Beifall bei CDU und FDP)
Vizepräsidentin Marlies Fritzen:
Lassen Sie eine weitere Zwischenfrage zu, Herr Kollege?
Tobias Koch [CDU]:
Ich dachte, das wäre jetzt präzise und deutlich beantwortet gewesen.
Dr. Robert Habeck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Leider nein, ich habe nämlich gefragt, wo Sie weniger ausgeben wollen und nicht wo Sie mehr ausgeben wollen. Wo wollen Sie weniger ausgeben, drei Maßnahmen? - Herr Kollege Habeck, wir waren schon mit dem Doppelhaushalt 2011/2012 so gut, dass wir beim Abbau des strukturellen Defizits so weit fortgeschritten sind, wie Sie es nie für möglich gehalten haben.
(Zuruf des Abgeordneten Ulrich Schippels [DIE LINKE])
Deswegen hat uns auch der Stabilitätsrat bescheinigt, dass unser Maßnahmepaket bis 2015 auskömmlich ist. Deswegen sind wir in der glücklichen Situation - weil wir so vorgelegt haben -, dass wir nicht mehr über konkrete einzelne Kürzungsmaßnahmen diskutieren müssen. Wir müssen jetzt nur noch Kurs halten. Wir müssen aufpassen, dass die Ausgaben nicht wieder nach oben gehen. Aber genau das wollen Sie ja tun. Genau das wollen Sie aber tun. Sie beschließen die Mehrausgaben. Sie wollen das über zusätzliche Kredite finanzieren. Sie wollen das strukturelle Defizit 2012 wieder erhöhen, um es dann, nachdem Sie es erhöht haben, bis 2020 wieder mühsam abzubauen. Sie müssen die Frage beantworten, wie Sie in den Jahren 2014, 2015, 2016 und 2017 Ihr Defizit wieder reduzieren wollen.
(Beifall bei CDU und FDP)
Okay, das schien jetzt präzise und ausführlich genug zu sein.
(Beifall und Heiterkeit bei CDU und FDP)
Bleiben wir bei dem Punkt. Frau Heinold hat uns vorhin noch einmal die 25 Millionen € sinngemäß als Wahlkampfmanöver vorgehalten. Das ist kein wörtliches Zitat. Sie wollen sich allein in diesem Jahr 2012 mit Ihrer Kreditobergrenze einen Spielraum von 560 Millionen € verschaffen und in dem unwahrscheinlichen Fall, dass Sie die Regierung stellen, einen Haushaltsentwurf vorlegen, der eine Kreditaufnahme von 1,054 Milliarden € vorsieht.
Das sind 560 Millionen € mehr als von dieser Landesregierung vorgesehen. Dafür müssen Sie dann Zinsen bezahlen. Die zahlen Sie ab dem nächsten Jahr in alle Ewigkeit, weil Sie es mit Ihrem Weg nicht schaffen werden, die Neuverschuldung im Jahr 2020 auf null zu setzen.
(Zuruf des Abgeordneten Dr. Robert Habeck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
- In der Tat, wir sind gut. Sie werden das nicht schaffen, wenn Sie den eingeschlagenen Weg jetzt verlassen. Sie können sagen, das sei formal alles in Ordnung und das würde mit der Schuldenbremse zusammenpassen. Sie werden es in den nächsten 5 Jahren aber nicht hinbekommen, die 1 Milliarde € auf null zu bringen. Sie werden die Verfassungsvorgabe in den nächsten Jahren nicht einhalten können. Sie werden mit Ihrer Politik scheitern. Am Ende würde Schleswig-Holstein mit einem noch höheren Schuldenberg dastehen, für den wieder die Zinsen bezahlt werden müssten. Das ist die Dramatik des heutigen Tages. Sie schlagen eine Richtung ein, die nicht dazu führen wird, dass wir am Ende eine Neuverschuldung von null haben, weil Sie nicht einen Kürzungsvorschlag gebracht haben. Sie beantworten dies nur mit zusätzlichen Schulden.
(Zuruf des Abgeordneten Dr. Robert Habeck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
- Wo waren Ihre Kürzungsvorschläge? Wir haben doch alles vorgelegt. Unsere Maßnahmen sind schwarz auf weiß niedergeschrieben und vom Stabilitätsrat abgesegnet. Wo sind Ihre Vorschläge,
wenn Sie sagen: Wir machen jetzt 1 Milliarde € Schulden und wollen trotzdem auf null kommen? -
(Zuruf des Abgeordneten Dr. Robert Habeck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
- Wir haben unsere Hausaufgaben gegen Ihren Widerstand gemacht. Sie haben damals den Haushalt abgelehnt. Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht.
(Beifall bei CDU und FDP)
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