
Rede in der Landtagssitzung am 22. August 2012
Tobias Koch [CDU]:
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieser Gesetzentwurf von FDP und PIRATEN ist genauso scheinheilig wie die Formulierungen in dem Koalitionsvertrag von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW.
(Zuruf Abgeordneter Wolfgang Kubicki [FDP])
Die Kommunalwahl im Mai 2013, Kollege Kubicki, wirft erkennbar ihren Schatten voraus. Denn dieser Aktionismus dient mehr der politischen Stimmungsmache als der Sache selbst.
(Abgeordneter Wolfgang Kubicki [FDP]:Aja!)
Aber zunächst, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, damit hier keine Legendenbildung betrieben wird: Alle Empfehlungen der Haushalts- und Strukturkommission wurden einvernehmlich getroffen.
(Beifall SPD)
Die FDP hat also noch vor der CDU einstimmig den Empfehlungen der Haushalts- und Strukturkommission zugestimmt.
(Beifall SPD)
Und der Vorschlag, den Landeszuschuss zur Schülerbeförderung zu streichen, kam damals aus dem FDP-Bildungsministerium. Tun Sie jetzt bitte nicht so, als wären Sie damals anderer Auffassung gewesen und seien von der CDU dazu gezwungen worden!
(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und PIRATEN)
Vizepräsidentin Marlies Fritzen: Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kubicki?
Tobias Koch [CDU]:
Auf die Frage bin ich gespannt.
Wolfgang Kubicki [FDP]: Herr Kollege Koch, ist Ihnen vielleicht aufgefallen, dass es hier nur um die Frage geht, ob wir die Kreise verpflichten wollen, dass sie von den Eltern Beiträge erheben müssen, oder ob wir ihnen das freistellen wollen? Sie können sich vielleicht daran erinnern, dass ich immer darauf hingewiesen habe, dass wir es doch den Kreisen überlassen sollen, ob sie es machen sollten, und dass Sie es waren - Sie nicht in Person, aber Ihre Fraktion -, die erklärt haben, das müssten wir zu einer Mussvorschrift machen, weil ansonsten Ihre Kommunalpolitiker vor Ort Schwierigkeiten bekommen würden?
- Herr Kollege Kubicki, ich kann mich sehr gut daran erinnern, dass wir gemeinsam in der Haushaltsstrukturkommission
(Wolfgang Kubicki [FDP]: Daran kann ich mich auch erinnern!)
auf Empfehlung des Bildungsministeriums die 6,5 Millionen € Landeszuschuss gestrichen haben
(Wolfgang Kubicki [FDP]: Ja, darum geht es hier aber nicht!)
und uns dann überlegt haben, wie man anschließend mit der Kompensation für die Kreise umgeht, und dann die Regelung gefunden haben, die wir gemeinsam mit gemeinsamer Beschlussfassung ins Gesetz hineingeschrieben haben. Also stehlen Sie sich da nicht aus der Verantwortung!
(Beifall CDU - Zurufe)
Ich fahre mit meiner Rede fort. - Wenn Sie diesen Gesetzentwurf heute nur eingebracht haben, um den Regierungsfraktionen damit zuvorzukommen,
(Zuruf Abgeordneter Wolfgang Kubicki [FDP])
dann hätte ich mir gewünscht, dass solche taktischen Spielchen an dieser sensiblen Stelle mit dieser abwechslungsreichen Vergangenheit unterblieben wären.
(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Man kann es auch „zwielichtig“ nennen!)
Das sage ich auch in Richtung der PIRATEN. Wer für eine kostenlose Schülerbeförderung ist, Herr Dr. Stegner - diese Position kann man durchaus politisch vertreten –,
(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Tue ich seit Jahren!)
der muss aber auch für die Bereitstellung der entsprechenden Mittel im Landeshaushalt sorgen, und zwar genauso, wie wir es damals in der 16. Wahlperiode gemeinsam getan haben, mit 6,5 Millionen €.
(Zuruf Abgeordneter Dr. Ralf Stegner [SPD])
Eine Kann-Regelung, die ausschließlich dazu dient, den Konnexitätsgrundsatz der Landesverfassung auszuhebeln, lässt die Kommunen mit den Folgen ihrer freiwilligen Entscheidung im Regen stehen.
(Beifall CDU)
Man kann sich schon richtig ausmalen: Wenige Monate vor der Kommunalwahl werden in allen Kreisen von roten, grünen und gelben Kreistagsfraktionen Anträge gestellt, um die Elternbeteiligung an der Schülerbeförderung zu streichen.
Vizepräsidentin Marlies Fritzen:
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Stegner?
Tobias Koch [CDU]:
Ja, ich habe es bei Herrn Kubicki zugelassen, dann kann ich es Herrn Stegner kaum verwehren.
Vizepräsidentin Marlies Fritzen: Herr Dr. Stegner, Sie haben das Wort.
Dr. Ralf Stegner [SPD]: Lieber Herr Kollege Koch, dürfen wir Ihre Ausführungen so verstehen, dass Sie deutlich machen wollen, dass die CDU in dieser Frage schon jede Position vertreten hat, die, die Sie jetzt vertreten, und auch schon das Gegenteil?
Ganz im Gegenteil. Wir haben immer eine konsequente Position vertreten. Entweder bedarf es eines Zuschusses aus dem Landeshaushalt, so, wie wir ihn damals gemeinsam vereinbart haben, von 6,5 Millionen €, oder es bedarf einer gesetzlichen Regelung zu den Elternbeteiligungskosten. Kann-Regelung ohne Landeszuschuss geht aber nicht. Das war immer unsere Position; die haben wir konsequent vertreten und bisher auch bei jeder Beschlussfassung so eingehalten.
(Beifall CDU)
Vizepräsidentin Marlies Fritzen:
Herr Abgeordneter, gestatten sie eine weitere Zwischenfrage des Kollegen Dr. Stegner?
Tobias Koch [CDU]:
Nein, Herr Kollege Kubicki hatte auch nur eine Frage. Das muss auch für Stegner ausreichen.(Heiterkeit - Zuruf Abgeordneter Wolfgang
Kubicki [FDP])
Lassen sie mich das Bild weiterspinnen, wie es im Mai nächsten Jahres aussieht. Pünktlich zur Kommunalwahl ist dann die Schülerbeförderung in allen Kreisen flächendeckend abgeschafft - im Mai 2013.
(Wolfgang Kubicki [FDP]: Interessant!)
Was passiert ein halbes Jahr später? - Ein halbes Jahr später bekommen diejenigen Kreise, die Fehlbedarfszuweisungen oder Konsolidierungshilfen des Landes in Anspruch nehmen, Post vom Innenminister, der sie darauf hinweist, dass sie ihre Einnahmemöglichkeiten konsequent ausschöpfen müssen. Zu diesen Einnahmemöglichkeiten gehört auch eine Kann-Regelung bei der Elternbeteiligung an den Schülerbeförderungskosten.
(Wolfgang Kubicki [FDP]: Aber daran ist die SPD schuld, nicht wir! - Lachen SPD)
Um dann die Millionenansprüche aus Fehlbedarfszuweisungen und Konsolidierungshilfe nicht zu verlieren, werden die Kreise Dithmarschen, Lauenburg, Nordfriesland, Ostholstein, Pinneberg, Plön und Schleswig-Flensburg wieder eine Elternbeteiligung an den Schülerbeförderungskosten einführen müssen. Ob die Eltern letztendlich also an den Kosten beteiligt werden oder nicht, hängt dann von der Gnade des Wohnorts ab. In den finanziell gut gestellten Kreisen ist die Schülerbeförderung kostenlos, in allen anderen Kreisen dürfen die Eltern zahlen. Ich frage Sie: Ist das gerecht?
(Zuruf Abgeordneter Dr. Ralf Stegner [SPD])
Ist es das, was Sie mit einer Kann-Regelung erreichen wollen?
Meine Damen und Herren, deshalb sage ich noch einmal: Wer es mit einer kostenlosen Schülerbeförderung ernst meint, der muss auch für die Bereitstellung entsprechender Mittel im Landeshaushalt sorgen. Das sage ich: Viel Spaß, Frau Ministerin Heinold!
Wenn das Land dazu aufgrund der eigenen Haushaltsprobleme nicht in der Lage ist, dann wird man vielleicht feststellen, dass die jetzige Gesetzesregelung
gar nicht so schlecht ist wie ihr Ruf. Die Eltern werden in allen Kreisen an den Kosten der Schülerbeförderung angemessen beteiligt, aber ohne dass ein fester Prozentsatz vorgeschrieben ist.
(Zuruf Abgeordnete Birgit Herdejürgen [SPD])
- Hören Sie zu! - Genau in diesem Rahmen können die Kreise unter Berücksichtigung der regionalen Gegebenheiten eigenverantwortlich über die Ausgestaltung der Schülerbeförderung entscheiden.Sozialstaffel, Geschwisterermäßigung, Elternbeteiligung in Abhängigkeit vom Fahrplanangebot - all das sind Regelungen, die sich nicht der Landesgesetzgeber ausgedacht hat, sondern das sind Regelungen, die von den Kreisen im Rahmen ihrer eigenen Entscheidungsfreiheit eingeführt worden sind.
Vizepräsidentin Marlies Fritzen: Herr Abgeordneter, nun gibt es die angekündigte zweite Bitte um eine weitere Zwischenfrage des Kollegen Kubicki. Lassen Sie diese zu?
Tobias Koch [CDU]: Meldet sich Herr Stegner anschließend auch noch einmal?
(Heiterkeit – Wolfgang Kubicki [FDP]: Ich habe die Unruhe bei ihm gesehen, deshalb habe ich mich gemeldet!)
Dann hat jetzt Herr Abgeordneter Kubicki das Wort für eine Zwischenfrage.
Wolfgang Kubicki [FDP]: Lieber Herr Kollege Koch, ich habe die Unruhe beim Kollegen Stegner gesehen. Deswegen habe ich mich gemeldet. Meine Frage lautet tatsächlich: Haben Sie eine Erklärung dafür, warum ausgerechnet die Kreise Dithmarschen und Stormarn dringend diese von uns vorgeschlagene Regelung auf dem Klageweg erzwingen wollen, von der Sie glauben, dass sie völlig unsinnig sei?
(Martin Habersaat [SPD]: Mit den Stimmen der CDU! - Wolfgang Kubicki [FDP]: Das ist etwas anderes!)
Tobias Koch [CDU]:
Die Situation in Stormarn ist mir natürlich aus eigener Anschauung bekannt. Der Kreis Stormarn gehört zu den Kreisen, die es sich finanziell leisten könnten. Dort würde von einer Kann-Regelung Gebrauch gemacht werden, und die Eltern bräuchten nichts zu zahlen. Für den Kreis Dithmarschen kann ich es nicht nachvollziehen. Denn dort wären auf der gerade geschilderten Rechtslage zukünftig weiterhin Elternbeteiligung zu erheben. Ansonsten müsste der Kreis Dithmarschen auf Fehlbedarfszuweisungen und Konsolidierungshilfen verzichten. Das wird den Kollegen in Dithmarschen vermutlich auch aufgehen, wenn der Brief vom Innenministerium kommt.
Vizepräsidentin Marlies Fritzen:
Eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Stegner!
Tobias Koch [CDU]:
Ja, wir sind sehr fair mit der Regierungsfraktion.
Dr. Ralf Stegner [SPD]: Ich bin mir der Gnade bewusst, dass ich das darf. Ich freue mich darüber sehr. Hatte ich Ihre Antwort vorhin so zu verstehen, dass Sie sich zwar nicht mehr erinnern, dass Sie alle Positionen schon vertreten haben, dass aber die Richtigkeit, die jeweils die Position hat, vom Zeitpunkt der Legislaturperiode abhängig ist?
Oder direkter gefragt: Können Sie ausschließen, dass sich die CDU kurz vor den Kommunalwahlen noch der Position des Rests dieses Landtags anschließen wird?
- Herr Kollege Stegner, auch hier verstehen Sie mich falsch - wie regelmäßig. Das legen Sie in Ihre Suggestivfrage aber auch jedes Mal mit hinein. Noch einmal: Ich vertrete gerade die Position, die wir letzte Wahlperiode auch beschlossen haben. Wenn Sie genau zugehört haben, wissen Sie, dass ich gerade die augenblickliche gesetzliche Regelung verteidige. Was Ihre Unterstellung jetzt bezwecken soll, kann ich deswegen überhaupt nicht nachvollziehen. - Vielen Dank.
(Beifall CDU)
Ich sage es aber gern noch einmal: entweder Landesmittel, dann können Sie die Schülerbeförderung landesweit kostenfrei stellen, oder aber eine Regelung, die die Kreise mit den Einnahmeausfällen nicht allein dastehen lässt. Entscheidungsfreiheit, auf Elternbeiträge zu verzichten, ohne dass dafür Geld im Landeshaushalt bereit gestellt wäre, wäre ein vergiftetes Geschenk an die Kommunen. Deshalb rate ich uns dringend dazu, während der Ausschussberatungen zu diesem Gesetzesverfahren ein intensives Anhörungsverfahren mit den Kreisen und Gemeinden, mit den Schulträgern und den Elternbeiräten zu führen. Die Aussicht auf eine kostenlose Schülerbeförderung ist das eine, wer aber die späteren Konsequenzen einer Kann-Regelung übersieht, der wird für weiteren Verdruss und Enttäuschung bei allen Beteiligten sorgen. Das wird weder den Kommunen und Schulträgern noch den Eltern und Schülern zuzumuten sein, nur weil im nächsten Mai Kommunalwahl ist.
(Beifall CDU)
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