Risse in der heilen Sparkassen-Welt

18.06.2010

Inmitten des Eigenlobs ging die Warnung fast unter. Die Strukturen der deutschen Sparkassenlandschaft hätten sich in der Krise sehr bewährt, trug Sparkassenpräsident Heinrich Haasis vor rot geschmückter Gala-Kulisse und 2000 Mitarbeitern auf dem Sparkassentag in Stuttgart vor.

Artikel erschienen in DIE WELT am 18. Juni 2010
Gerade deshalb sei es so wichtig, diese Strukturen vor "Aufweichungsbemühungen" zu schützen, schob er hinterher. "Ich sage dies auch in Richtung Schleswig-Holstein."

Früher hätte das nördlichste Bundesland mit seinen gerade einmal 15 Sparkassen in der Grundsatzrede des Sparkassenchefs wohl kaum Erwähnung gefunden. Doch mittlerweile richten sich die Blicke aller deutschen Sparkassenfunktionäre alarmiert gen Norden. Dort sind ausgerechnet die zwei größten Institute Sanierungsfälle geworden.
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Aus mehreren Nordsparkassen hervorgegangen, geriet im Jahr 2008 die Sparkasse Südholstein ins Straucheln - einerseits durch die Fusionslasten, aber auch eine riskante Geschäftspolitik. Als Belastungen unter anderem durch Lehman-Brothers- und Islandpapiere zu Buche schlugen und die Eigenkapitalquote erodierte, zog der schleswig-holsteinische Sparkassenverband die Notbremse: Sie bekam 50 Mio. Euro Bürgschaften und stille Einlagen vom regionalen Stützungsfonds. Die Haspa Finanzholding, Aktionärin der größten deutschen Sparkasse in Hamburg, steuerte ein Nachrangdarlehen von 50 Mio. Euro bei.

"Ein Einzelfall", beschwichtigten die Sparkassenfunktionäre damals. Doch mittlerweile ist auch das größte Institut, die Nord-Ostsee-Sparkasse (Nospa), ein Stützungskandidat: Das einst gesunde Geldhaus hatte sich Mitte 2008 die angeschlagene Flensburger Sparkasse einverleibt und ging unter den Wertberichtigungen in die Knie. Weil der Regionalverband weitere Hilfen nicht allein stemmen kann, müssen nun die übrigen deutschen Sparkassen einspringen. Von einem Kapitalbedarf von 150 Mio. Euro ist bei der Nospa die Rede, der regionale Fonds könnte nach WELT-Informationen 86 Mio. Euro davon schultern. Auch die Stadt Flensburg als ehemalige Trägerin der Flensburger Sparkasse wird voraussichtlich einen Beitrag von rund 14 Mio. Euro leisten.

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Das Vorhaben sorgt seit Monaten für Streit im Sparkassenlager und der Politik. "Das Ziel ist, die Kapitalbasis der Sparkassen zu stärken - damit es keinen dritten und vierten Stützungsfall gibt", sagt Tobias Koch, finanzpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion.

Doch über die vermeintliche Entlastung ist die Sparkassenfamilie gar nicht glücklich. Schuld ist die rechtliche Konstellation im Norden: Die Hamburger Sparkasse, auf die das Gesetz zugeschnitten ist und die schon bei der Sparkasse Südholstein am liebsten direkt eingestiegen wäre, ist keine "echte" Sparkasse mit kommunalen Eigentümern, sondern eine AG, dazu mit einer sogenannten Finanzholding als Alleinaktionärin. Als juristische Person alten hamburgischen Rechts ist diese ebenfalls rechtlich nicht eindeutig öffentlich-rechtlich - und genau das ist der Knackpunkt. "Wenn die Gesetzesänderung kommt und die EU die Haspa als privates Institut einstuft, haben wir übermorgen die Deutsche Bank im Haus", sagt ein Sparkassenfunktionär. Private Institute könnten den Sparkassen ihre renditeorientierte Geschäftspolitik aufzwingen, so seine Befürchtung: "Das wäre das Ende der Gemeinwohlorientierung."

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Die Befürworter der Gesetzesänderung beteuern, es nicht auf die Privatisierung der Sparkassen anzulegen. "Wir haben alles getan, um auszuschließen, dass Privatbanken sich beteiligen können", sagt CDU-Politiker Koch. Gemäß neuestem Vertragsentwurf bekommen nur solche Investoren Zugang zu Sparkassen, die gemeinnützig sind, keine Renditeinteressen von Eigentümern verfolgen und einer öffentlichen Aufgabe nachgehen, die durch den Staat überwacht wird.

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