Möglicher Schuldenerlass der HSH Nordbank für die Rickmers Maritime Trust

22.03.2017
Rede

Landtagssitzung am 22. März 2017

Mündlicher Bericht zum möglichen Schuldenerlass der HSH Nordbank für die Containerschiffsreederei Rickmers Maritime Trust

Tobias Koch [CDU]:
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei der heutigen Diskussion über die möglicherweise anstehenden Entscheidungen der HSH Nordbank und den daraus folgenden Konsequenzen für die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein lohnt es sich, einen Blick auf das vergangene Jahr zurückzuwerfen.

Mittlerweile wissen wir ziemlich genau, wie es im letzten Jahr mit dem damaligen Forderungsverzicht gelaufen ist: Die HSH Nordbank saß auf faulen Schiffskrediten mit dem Volumen von 1,5 Milliarden €, die auf einen einzigen Schuldner entfielen. Den damit finanzierten Schiffen hätten die bestellten Gutachter aufgrund der vorhandenen Überschuldung und der dadurch fehlenden Fortführungsperspektive nur noch einen Schrottwert beigemessen. Infolgedessen hätte die HSH Nordbank diese Schiffskredite an die Länder vielleicht noch zu 10 % ihres ursprünglichen Kreditbetrages als Kaufpreis verkaufen können, mithin vielleicht für 150 Millionen €.

Durch den Forderungsverzicht in Höhe von 500 Millionen € und den Nachschuss von wenigen Millionen € Eigenkapital durch den Schuldner kann der Betrieb dieser Schiffe jedoch für ein bis zwei Jahre aufrechterhalten werden. Das wiederum veranlasste die Gutachter dazu, den Schiffen eine Fortführungsperspektive zu konstatieren, weshalb bei der Bewertung nicht nur auf den Schrottwert abgestellt wurde, sondern stattdessen die rechnerischen Gewinne herangezogen wurden, die diese Schiffe möglicherweise in den nächsten 15 bis 20 Jahren erzielen werden. Durch diese veränderte Bewertung kam dann ein um rund 500 Millionen € höherer Kaufpreis zustande, als dies bei einem Verkauf zum Schrottwert der Fall gewesen wäre.

Mit anderen Worten: Die HSH Nordbank hat von dem Forderungsverzicht doppelt profitiert. Auf der einen Seite wurden ihr die erlassenen Forderungen in Höhe von 500 Millionen € aus der Ländergarantie ausgeglichen. Auf der anderen Seite erhielt sie beim Verkauf dieser faulen Schiffskredite an die Länder einen höheren Kaufpreis, der ebenfalls um rund 500 Millionen € höher ausfiel, als dies der Fall gewesen wäre, wenn zum Schrottwert verkauft worden wäre.
Genau diese Masche soll jetzt offensichtlich seitens der HSH Nordbank wieder zum Einsatz kommen. Kurz bevor der Verkauf der zweiten Tranche von faulen Schiffskrediten mit einem ausstehenden Kreditvolumen von 1,2 Milliarden € im Sommer dieses Jahres an die Länder ansteht, wird möglicherweise wieder einem Kreditnehmer ein dreistelliger Millionenbetrag erlassen, sodass den zugrunde liegenden Schiffen dann nicht mehr der Schrottwert, sondern ein deutlich höherer Fortführungswert zugestanden werden kann, den dann die Länder bei der Übernahme dieser Schiffskredite bezahlen dürfen.

(Johannes Callsen [CDU]: Dolles Geschäft!)

Nun behauptet die Finanzministerin immer, das sei alles gehupft wie gesprungen, denn bei einem Verkauf zum Schrottwert müsse der dadurch entstehende deutlich höhere Verlust ja auch durch die Ländergarantie ausgeglichen werden. Was die Finanzministerin dabei übersieht, ist, dass die HSH Nordbank die Ländergarantie nach eigener Aussage auf jeden Fall im vollen Umfang von 10 Milliarden € in Anspruch nehmen wird.
Der bei der ländereigenen Abwicklungsanstalt hsh portfoliomanagement AöR aufgrund des überhöhten Kaufpreises anfallende Verlust kommt für die Steuerzahler jetzt noch obendrauf und treibt die Belastungen für die Landeshaushalte in immer schwindelerregendere Höhen.

An dieser Stelle könnte man sich nun über die Manager der HSH Nordbank aufregen, die hier zulasten der Anteilseigner handeln. Allerdings sind Vorstände gesetzlich dazu verpflichtet - das weiß der Kollege Kubicki besser als jeder andere -, die Interessen ihrer Unternehmen zu wahren.
Es sind ja auch keine illegalen Praktiken, die hier angewandt werden, sondern die HSH Nordbank nutzt lediglich die Spielräume aus, die ihr von den Anteilseignern selbst zugestanden wurden. Es war die rot-grüne Mehrheit hier im Land und in Hamburg, die Ende 2015 für den Ankauf der faulen Schiffskredite eine Blankovollmacht ausgestellt hat. Es waren die Vertreter der beiden Landesregierungen im Aufsichtsrat der HSH Nordbank, die diesem Treiben der Bank zulasten der Steuerzahler keinen Einhalt geboten haben. Last but not least war es die Landesregierung selbst, die den Ankauf der faulen Schiffskredite vollzogen hat.
Dabei können Sie sich im Übrigen auch nicht auf die Vereinbarung mit der EU-Kommission berufen, Frau Ministerin: Die durch die Gutachter ermittelte Bewertung stellt aus Sicht der EU-Kommission lediglich die zulässige Obergrenze für den Kaufpreis dar, damit auf diese Weise keine verdeckte Beihilfezahlung an die HSH Nordbank erfolgt. Die Länder hätten aber ohne Weiteres einen niedrigeren Kaufpreis mit der HSH Nordbank aushandeln können, wenn sie die als Folge des Forderungsverzichts zustande gekommene Bewertung der Gutachter nicht akzeptiert hätten. Stattdessen haben SPD, Grüne und SSW dafür gesorgt, dass die Verluste der Bank sozialisiert werden.

(Beifall CDU und FDP)

Während die Reeder und Fondsinitiatoren ihre Schäflein ins Trockene gebracht haben, müssen die Steuerzahler jetzt beim Ankauf der faulen Schiffskredite für den Schaden aufkommen.
Frau Ministerin, das ist eben der Unterschied: Die Folgen aus der Garantie sind schon bitter genug. Jetzt machen Sie es mit dem Ankauf der faulen Schiffskredite aber noch viel schlimmer. Was eine solche Politik zugunsten von Millionären und zulasten der einfachen Steuerzahler mit sozialer Gerechtigkeit zu tun haben soll, müssen Sie erst einmal erklären. - Herzlichen Dank.

(Beifall CDU und FDP - Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unfassbar!)

Tobias Koch [CDU]:
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, selbstverständlich haben wir in unserer Regierungszeit Verantwortung für die Bank getragen.

(Zurufe SPD: Ah!)

Das ist aber kein Schuldeingeständnis.

(Zurufe SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu diesen Fragen hat es übrigens auch schon zwei Untersuchungsausschüsse dieses Landtags gegeben, und auch im Zusammenhang damit werden Sie selbstkritische Äußerungen zu unserer eigenen Regierungszeit finden.
Worüber wir aber heute diskutieren, sind nicht die Ereignisse von 2009, auch wenn Sie das Augenmerk immer gern auf sie lenken wollen.

(Beifall CDU - Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber 2005 bis 2009!)

Wir diskutieren vielmehr über die aktuellen Vorkommnisse, und dabei geht es um Ihre Regierungsentscheidungen aus dem Jahr 2015 und darum, was Sie heute daraus machen.
Deswegen sage ich noch einmal: Es kann nicht sein, dass man sich im Jahr 2015 verpflichtet, faule Schiffskredite zu übernehmen, dass dann die Bank einen tollen Trick findet und sagt: Wir erlassen erst einmal ein paar Schulden; dann sind die Kredite an schließend mehr wert, und dann kaufen wir sie ab.

(Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wissen, wie es geht!)

Genauso haben Sie es im letzten Jahr gemacht. Sie haben sich von der Bank an der Nase herumführen lassen. Die hat zwei Tage davor auf die Forderung verzichtet und hat die Kredite dann teurer an das Land verkauft.
Man kann solche Fehler machen, so bitter sie auch sind, man sollte sie aber nicht ein zweites Mal machen, Herr Kollege Andresen.

(Beifall CDU und FDP)

Darum geht es jetzt. Es geht darum, im nächsten Monat politisch dafür zu sorgen, dass wir die Bank nicht noch einmal damit durchkommen lassen, dass wir ihr im Juni nicht die Rickmers-Kredite abkaufen. Genau das droht nämlich.

Vizepräsidentin Marlies Fritzen:
Herr Kollege, gestatten Sie eine Bemerkung des Abgeordneten Rother?

Tobias Koch [CDU]:
Sehr gern.

Thomas Rother [SPD]: Herr Kollege Koch, zwei Fragen.
Erstens. Können Sie den genauen Umfang der Geschäfte beziehungsweise die Differenz in Bezug auf die Schiffe beziffern, die anscheinend von der Reederei Kortüm angekauft worden sind?
Zweitens. Wie können Sie sich erklären, dass die Bank diesen Trick nicht auch bei allen anderen Schiffsübertragungen angewendet hat?

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Sie hat doch angekündigt, sie will das machen!)

- Herr Kollege Rother, Sie müssten aus dem Beteiligungsausschuss den gleichen Kenntnisstand haben wie ich. Aber die Zahlen sind ja auch öffentlich. Das Forderungsvolumen belief sich auf 1,5 Milliarden € vor Forderungsverzicht. Dann wurden 500 Millionen € erlassen, und dann wurde an die Länder verkauft. Den genauen Kaufpreis kennen wir beide nicht. Er wird nach wie vor geheim gehalten. Aber es lässt sich rückschließen, dass er bei 60 %, also schätzungsweise bei rund 600 Millionen €, gelegen haben muss.
Deswegen sagte ich schon vorhin in meiner Rede: Beim Schrottwert wären es nur 100 Millionen € oder 150 Millionen € gewesen; jetzt haben wir 600 Millionen € bezahlt, haben aber drei Monate später festgestellt, dass die Schiffe doch nicht so viel wert waren. Deswegen musste die hsh portfoliomanagement AöR schon die ersten Verluste verbuchen.
Genau vor dieser Entwicklung will ich uns nur warnen, dass uns im Juni die Rickmers-Kredite aufs Auge gedrückt werden, zu einem überhöhten Preis, der dadurch zustande kommt, dass man zuvor auf Forderungen verzichtet hat.

(Beifall CDU und FDP - Zuruf Thomas Rother [SPD])

- Kollege Rother weist zu Recht auf seine zweite Frage hin: Warum haben sie es nicht bei den anderen gemacht? Der Forderungsverzicht bei Kortüm war nicht der einzige. Das waren die 500 Millionen €; sie haben insgesamt 800 Millionen € erlassen, und jetzt machen sie es wieder. Die HSH praktiziert diese Vorgehensweise also in einem größeren Umfang. Das ist kein Einzelfall. Die Frage ist nur, wie wir damit umgehen, ob wir das als Einzelfall hinnehmen und sagen: „Sie haben es jetzt so gemacht; das akzeptieren wir“, oder ob wir daraus lernen - und das sollten wir tun.

(Lebhafter Beifall CDU und FDP)