Interessen der Menschen und Energiewirtschaft unter einen Hut gebracht

Lesen Sie hier Tobias Kochs (Fraktionsvorsitzender CDU im Landtag) Rede vom 26.04.2018.

Herr Präsident,
meine sehr geehrte Damen und Herren,

den Abstand von Windkraftanlagen zur Wohnbebauung vergrößern – dazu gab es vor der Landtagswahl ein klares Ja, und zwar von der SPD auf die Frage im Wahl-o-maten.

Hundertausenden von Wählerinnen und Wählern, die sich bei ihrer Wahlentscheidung auf die Hilfe des Wahl-o-maten verlassen haben, wurde dadurch ein vollkommen falscher Eindruck von der Position der SPD vermittelt.

Erzählen Sie uns also nichts von Wählertäuschung, Herr Dr. Stegner, wenn Sie selbst mit solch fragwürdigen Methoden im Wahlkampf agieren!

Die Quittung dafür haben Sie mit dem Wahlergebnis bekommen und die Umfrage der letzten Woche zeigt, was die Schleswig-Holsteiner von Ihrer Oppositionspolitik halten – nämlich rein gar nichts!

Und dazu gehört eben auch Ihre Position, dass an den Windkraftplänen des abgewählten Ministerpräsidenten Torsten Albig Nichts aber auch überhaupt Nichts geändert werden soll. Die Abstände sollen nach dem Willen der SPD bei 400 und 800 Metern bleiben, so wie Sie es in der letzten Wahlperiode vertreten haben.

Wir als CDU haben uns dagegen immer klar für größere Abstände zu Windkraftanlagen eingesetzt – und genau das machen wir jetzt auch!

Meine Damen und Herren, mit dem jetzt in der Erarbeitung befindlichen zweiten Entwurf der Regionalplanung Wind werden wir die Abstände von Windkraftanlagen zu Siedlungsgebieten-im Vergleich zur bisherigen Planung erweitern. Gleichzeitig werden wir das vereinbarte Energieziel von zehn Gigawatt installierter Leistung bei Onshore Windenergie einhalten!

Wer bitteschön hätte es für möglich gehalten, dass diese Quadratur des Kreises tatsächlich gelingt? Bei der SPD offenbar niemand, denn Sie haben ja noch nicht einmal den Versuch unternommen, hier etwas für die Menschen in Schleswig-Holstein zu erreichen.

Jamaika dagegen zeigt, wie es besser geht!

Das ist eine echte Gemeinschaftsleistung, zu der alle drei Partner ihren Beitrag geleistet haben. Dafür mein herzlicher Dank an Grüne und FDP, an die beteiligten Minister Robert Habeck und Bernd Buchholz und selbstverständlich Glückwunsch an das federführende Innenministerium, lieber Joachim Grote.

Zu Siedlungsgebieten gilt zukünftig ein Mindestabstand von 1.000 Metern statt den bisher vorgesehenen 800 Metern. Außerdem wird für Anlagen, die höher als 200 Meter sind, der Mindestabstand noch weiter heraufgesetzt, indem das Kriterium der 5-fachen-Höhe neu eingeführt wird.

Wir nehmen also gleich an zwei Stellen Verbesserungen vor. Genauso wie wir es im Koalitionsvertrag vereinbart hatten.Diese höheren Abstände gelingt es zu erreichen, indem wir bei einer ganzen Reihe von Tabu- und Abwägungskriterien Änderungen und Herabstufungen vornehmen:

Bei Deich- und Küstenschutzanlagen, bei Vorranggebieten für Rohstoffsicherung, bei Kulturdenkmälern, beim Biotopverbundsystem, bei den Nahrungsgebieten von Gänsen und den Schlafgewässern von Kranichen, bei den Küstenstreifen an der Nordsee, beim Drehfunkfeuer Michaelsdorf, bei Anbaubeschränkungen an Bundesautobahnen und bei nicht sicher nachgewiesenen Horsten des Rotmilans.

Meine Damen und Herren, an dieser Aufzählung können Sie erkennen, dass hier wirklich alles noch einmal auf den Prüfstand gekommen ist.

Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht: Genau diese Überarbeitung der Kriterien war immer unsere Forderung, um so zu größeren Abständen zu gelangen, die die Akzeptanz der Windenergie in unserem Land stärkt.

Wir sind uns in der Koalition auch darüber einig, dass dabei die Energiemenge von zehn Gigawatt die entscheidende Zielmarke ist und weniger die Frage, ob es dazu zwei Prozent der Landesfläche bedarf. Schließlich geht es nicht darum, eine bestimmte Anzahl von Quadratmetern auf Biegen und Brechen vollzuspargeln, sondern es kommt darauf an, wie viel erneuerbare Energie durch die eingesetzten Windkraftanlagen erzeug wird.

Die Angabe von ca. zwei Prozent der Landesfläche ist deshalb nicht mehr und nicht weniger als ein Hilfskriterium für das Erreichen des eigentlichen Energiemengenziels. Trotz alledem müssen wir feststellen, dass es mit den vereinbarten Veränderungen nicht gelingt, die Abstände zu Einzelhäusern und Splittersiedlungen von 400 auf 500 Meter zu erhöhen.

Durch die ohnehin geltende 3-H-Regelung ergibt sich zwar auch hier für eine Standardanlage mit einer Höhe von 150 Metern ein Abstand von 450 Metern - aber eben nicht von den angestrebten 500 Metern. Deshalb gehört es zur Wahrheit dazu: An dieser Stelle geht die Quadratur des Kreises leider nicht vollständig auf.

Das müssen wir akzeptieren, weil das Erreichen des Energieziels gemäß Koalitionsvertrag Vorrang hat.

Unzutreffend ist hingegen der Vorwurf, dass die jetzt vorgesehenen Regelungen der Regionalplanung Wind an einer zweiten Stelle hinter den Zielen des Koalitionsvertrages zurückbleiben würden. Es wird darauf verwiesen, dass der 1.000 Meter Abstand zu Siedlungsgebieten „nur“ für Neuanlagen nicht aber für Altanlagen gelten würde.

Meine Damen und Herren, eine Forderung auch für das Repowering von Altanlagen die Abstände zur Wohnbebauung zu erhöhen hat es weder im CDU-Wahlprogramm noch im Koalitionsvertrag jemals gegeben.

Ganz im Gegenteil! Im Koalitionsvertrag ist explizit vereinbart, dass wir ein Repowering von Altanlagen außerhalb der Potenzialflächen ermöglichen wollen.

Auch im CDU-Wahlprogramm hieß es dazu, dass solche Bestandsflächen auf Dauer abgesichert werden sollen und es dafür flexibler Abstandsregelungen bedarf.

Wir haben immer gesagt, dass dort wo Windkraftanlagen bereits bestehen, wo sie von der Bevölkerung akzeptiert sind und wo schon die erforderlichen Leitungen vorhanden sind, auch zukünftig ein Repowering möglich sein muss. Die Forderung nach größeren Abstandsflächen hat sich deshalb immer nur auf neu hinzukommende Anlagen bezogen.

Richtig ist aber, dass wir uns als CDU noch größere Abstände für Neuanlagen gewünscht hätten. Unsere Forderungen im Wahlkampf gingen über das hinaus, was im Koalitionsvertrag vereinbart ist und was jetzt mit der Regionalplanung Wind umgesetzt wird.

Mit 32 Prozent der Stimmen bei der Landtagswahl sind wir aber nicht die Allein-Entscheider im Land, sondern wir müssen in einer Koalition auch Kompromisse eingehen.

Bei einer CDU-Alleinregierung hätte das anders ausgehen: Wir hätten möglicherweise die Tabu- und Abwägungskriterien noch mehr verändert als jetzt vorgesehen, hätten versucht stärker auf Offshore statt Onshore zu setzen und hätten vielleicht auch das Energieziel ein Stück weit relativiert.

Meine Damen und Herren, ich will aber genau so deutlich sagen: Auch für uns als CDU ist es wichtig, dass wir die Chancen der Windenergie für unser Land nutzen.

Mit einer ganzen Reihe von Anträgen der Koalitionsfraktionen in den letzten Monaten zur Sektorenkopplung, zur Energiespeicherung und zur e-Mobilität haben wir das hier im Landtag dokumentiert. Der Kollege Andreas Hein hat sich dabei auf unserer Seite besonders hervorgetan.

Die Energiewende kann aber nur dann gelingen, wenn wir alle Beteiligten mit ins Boot holen. Und das sind vor allem auch die Bürgerinnen und Bürger. Nicht zuletzt deshalb, weil sie den überwiegenden Teil der Kosten der Energiewende zu tragen haben.

Was wir brauchen ist ein gesellschaftlicher Konsens zur Energiewende, der sich nicht bloß in dem allgemeinen Ziel erschöpft, sondern auch die konkreten Auswirkungen vor Ort beinhaltet.

Als Jamaika-Koalition haben wir uns genau dieser Herausforderung gestellt: Wir haben Energieziele und Abstände zur Wohnbebauung gemeinsam gedacht. Wir haben miteinander gerungen und am Ende eine Lösung gefunden, die den unterschiedlichen Interessen bestmöglich gerecht wird.

Genau das ist es, was Jamaika in Schleswig-Holstein auszeichnet und weshalb die Arbeit der Landesregierung von den Schleswig-Holsteinern derart positiv beurteilt wird.

Und das wohlgemerkt in Kenntnis der aktuellen Windkraftpläne der Landesregierung.

Wenn jetzt Windkraftbauer und Windkraftgegner gleichermaßen mit dem Ergebnis nicht vollständig zufrieden sind, dann ist das in aller Regel ein guter Indikator dafür, dass hier ein fairer Kompromiss gefunden worden ist.

Deshalb liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD: Ihr Genörgel darüber, dass die Grünen die Klimaziele verraten würden, weil sie größeren Abstände zur Wohnbebauung zustimmen, oder dass die CDU ihre Wahlversprechen brechen würde, weil wir unsere Wunschvorstellung in der Koalition nicht vollständig durchsetzen konnten – all das bringt unser Land überhaupt nicht weiter voran.

Und wir zerstören mit unserer Windenergieplanung auch keine Arbeitsplätze, wie Sie uns das vorwerfen, Herr Dr. Stegner, sondern wir machen die Arbeitsplätze zukunftsfähig, indem wir die Interessen der Branche und das Allgemeinwohl in Einklang miteinander bringen.

Als SPD haben sie noch nicht einmal ernsthaft versucht, einen solchen Interessenausgleich überhaupt hinzubekommen.

Wir als Jamaika-Koalition haben diese Arbeit gemacht. Wir zeigen damit, dass sich unterschiedliche Vorstellungen mit gutem Willen und einer vertrauensvollen Zusammenarbeit unter einen Hut bekommen lassen.

Deshalb können wir stolz und zufrieden auf das erreichte Ergebnis ein.