
Rede in der Landtagssitzung am 28. September 2012
Tobias Koch [CDU]:
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei der Arbeit des Untersuchungsausschusses in der vergangenen Legislaturperiode standen zwei Fragen im Mittelpunkt der Aufklärungsarbeit.
Das war zum einen die Frage nach dem Zeitpunkt, zu dem die Risiken damals frühestens erkennbar gewesen wären. Daran schloss sich die Frage an, ob die Landesregierung damals rechtzeitig gehandelt hat.
Genau diese beiden Frage stellen sich auch in der aktuellen Situation wieder. Die Frage nach dem Zeitpunkt ist allerdings mit der Veröffentlichung des Halbjahresberichts der HSH Nordbank am 31. August dieses Jahres eindeutig beantwortet. Seit diesem Datum sind nicht nur der Landesregierung und dem Beteiligungsausschuss, sondern auch der gesamten Öffentlichkeit all diejenigen Risiken bekannt, die heute den Anlass für diese Debatte geben. Die Garantie der Länder Hamburg und Schleswig-Holstein wird mittlerweile von der HSH Nordbank mit nahezu 2 Milliarden € in Anspruch genommen. Die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten dieser Garantie erreicht mit 41,4 % den höchsten Wert seit Übernahme der Garantie. Der Kollege Kubicki sagte es bereits. Wenn sich die Wahrscheinlichkeit in dem gleichen Tempo weiterentwickelt wie im ersten Halbjahr 2012, dann werden wir die 50-%-Marke zum Ende des Jahres überschritten haben.
(Beifall Abgeordneter Christopher Vogt [FDP])
Gleichzeitig ist die Kernkapitalquote der Bank zum 30. Juni 2012 unter die Marke von 10 % gefallen. Deshalb mussten die Garantiegeber, also wir, Hamburg und Schleswig-Holstein, bereits auf die Zusatzprämie verzichten, die uns für den Fall der Inanspruchnahme der Garantie zusteht. Wer in der Lage ist, eine Bilanz oder eine Gewinn- und Verlustrechnung zu lesen, der kann daraus ablesen,
dass der Halbjahresüberschuss von 70 Millionen € nicht aus dem operativen Geschäft erwirtschaftet wurde, sondern einzig und allein aus einmaligen Sondereffekten resultiert.
Zur Schiffsfinanzierung sagt die HSH in ihrer Halbjahrespressekonferenz: Die Krise der Branche habe sich in den vergangenen Monaten weiter verschärft.
Das dicke Ende kommt noch, denn die Bank sagt auch, der Tiefstpunkt wird erst in den kommenden zwölf bis 18 Monaten erwartet, und wir alle wissen, was das für die HSH Nordbank bedeutet.
Seit gestern ist zudem bekannt, dass Moody’s eine Herabstufung des Ratings der HSH Nordbank prüft. Nun kann man von Ratingagenturen halten, was man will, aber ich denke, uns allen ist klar: Eine Herabstufung dieser Art würde die Liquiditätsbeschaffung der HSH Nordbank gravierend beeinträchtigen.
Nun stellt sich die Frage: Wie reagiert die Landesregierung auf diese erkennbaren Risiken? - Die Finanzministerin hat dies mittlerweile öffentlich deutlich gemacht und sagte in den „Kieler Nachrichten“ vom 21. September 2012, das seien alles „rein spekulative Risiken“. Sie sehe deshalb keinen Handlungsbedarf.
So lautete das wörtliche Zitat. Ich hoffe, Sie sind hier richtig zitiert worden. Nein, ich hoffe es nicht, aber so wurden Sie wiedergegeben, Frau Ministerin. Damit ist die Frage, ob die Landesregierung rechtzeitig auf erkennbare Risiken reagiert, auch beantwortet. Die Antwort lautet erschreckenderweise: Nein.
Die Ministerin hat es noch nicht einmal für nötig erachtet, im August und im September an den Sitzungen des Beteiligungsausschusses teilzunehmen.Stattdessen argumentiert sie rein rückwärtsgewandt damit, dass auch die Vorgängerregierung keine Risikorücklage eingestellt hätte. Das ist eine wirklich haarsträubende Argumentation.
(Beifall CDU und FDP)
Sie wird der aktuellen Situation nicht gerecht, und das ist auch in Bezug auf die Vergangenheit nicht angemessen, denn der Unterschied ist, dass die Garantie bei der Verabschiedung des Doppelhaushalts 2011/2012 im Dezember 2010 mit keinem einzigen Euro in Anspruch genommen war. Heute sind wir bei 2 Milliarden €.
(Beifall CDU und FDP)
Die Ziehungswahrscheinlichkeit war damals geringer, die Kernkapitalquote der Bank war höher und die Charterraten im Schifffahrtsgeschäft waren damals im Steigen begriffen und nicht im Niedergang wie jetzt. Jetzt, im September 2012, sind aber erhebliche Risiken erkennbar. Wir sind jetzt dabei, den Haushalt für 2013 und die Finanzplanung für die Folgejahre aufzustellen. Herr Kollege Andresen, der richtige Zeitpunkt, um nach Lösungsansätzen
zu suchen, ist genau jetzt. Wir müssen jetzt Entscheidungen treffen.
Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, das gilt erst recht, wenn man - wie die Landesregierung - einen Haushaltsentwurf einbringen will, der die gesetzlich zulässige Defizitgrenze bis an die Oberkante ausreizen will. Ein solcher Haushaltsentwurf ohne jeglichen Risikopuffer besitzt keinerlei Risikotragfähigkeit. Schon das kleinste unerwartete Ereignis würde einen solchen Haushalt zur Makulatur werden lassen, und wir sprechen hier nicht von den kleinsten anzunehmenden Ereignissen.
Wer jetzt, wie die Regierungsfraktionen, schnell einen Haushalt durchbringen will, um die eigenen Wahlversprechen zu erfüllen, und dabei einen Anstieg des Defizits und einen Anstieg der Neuverschuldung in Kauf nimmt, gleichzeitig aber die Augen vor den erkennbaren Risiken bei der HSH Nordbank verschließt und nach einer Vogel-Strauß- Strategie den Kopf lieber in den Sand steckt, der handelt nicht nur fahrlässig, sondern das ist Verantwortungslosigkeit mit Vorsatz. Daher sage ich Ihnen: Gutes Regieren geht anders.
(Beifall CDU und FDP)
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