Gesetz zur Änderung der Landesverfassung - Schuldenbremse

19.05.2010

Redeauszug aus der Landtagssitzung vom Mittwoch, 19. Mai 2010

Tobias Koch [CDU]:

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Juli des letzten Jahres war der Finanzausschuss zu politischen Gesprächen in Frankfurt am Main und in Wiesbaden. Die Kollegen, die dem letzten Landtag schon angehört haben, werden sich daran erinnern. Der hessische Finanzminister Karl-Heinz Weimar warnte damals eindringlich davor, dass die öffentliche Hand aufgrund des dramatischen Anstiegs der Staatsverschuldung am Markt in kürzester Zeit keine Kredite mehr erhalten würde.

Demgegenüber vertrat die Bundesbank die Auffassung, dass mit der beschlossenen Schuldenbremse im Grundgesetz - die war gerade im Juni vereinbart worden - das erforderliche Signal an die Märkte ausgesandt worden sei, um diese Gefahr zu bannen. Allerdings bedürfe es nunmehr auch der Umsetzung dieser Schuldenbremse, mahnten die Bundesbanker.
(Beifall bei CDU und FDP)

Die Folgen eines Staatsbankrotts werden uns in diesen Tagen vom EU-Mitglied Griechenland drastisch vor Augen geführt. Die wütenden Proteste der griechischen Bevölkerung zeigen, wer die Leidtragenden einer solchen Pleite sind: Es sind die Bürgerinnen und Bürger, es sind die öffentlich Beschäftigten, die Steuerzahler, die Sozialleistungsempfänger, die Rentner, die diese Folgen zu tragen haben.

In der Griechenland-Krise kann Deutschland jetzt noch seine Bonität und seinen guten Ruf in die Waagschale werfen, um Griechenland zu helfen. Dank der Kreditzusagen von EU und IWF bleibt Griechenland von der Zahlungsunfähigkeit verschont, deren Folgen viel gravierender wären, als es die jetzt verordnete bittere Medizin aus Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen ist.

Ich frage Sie aber: Wer, bitte schön, soll uns denn helfen, wenn wir in eine vergleichbare Lage wie Griechenland geraten sollten? Wenn Griechenland das schwächste Glied in der Kette sein mag, dann ist Deutschland einer der Anker, an dem diese Kette hängt. Wenn sich dieser Anker losreißt, dann können wir realistisch nicht auf Hilfe von außen hoffen.

Wir müssen deshalb aus eigener Kraft das Ruder rechtzeitig herumreißen.
(Beifall bei CDU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einer Sanierung der Staatsfinanzen und einer Einhaltung der Schuldenbremse gibt es aus diesem Grund keine vernünftige Alternative. Beides ist für uns von existenzieller Bedeutung.

Für mich als vergleichsweise jungem Abgeordneten und Vater zweier kleiner Kinder ist deshalb heute ein wirklich besonderer Tag. Ich räume auch gern ein, dass es mich mit einem gewissen Maß an Stolz erfüllt, an dieser Verfassungsänderung persönlich mitgewirkt zu haben.
(Beifall des Abgeordneten Dr. Axel Bernstein [CDU])

Mit der Festschreibung der Schuldenbremse in der Landesverfassung sichern wir unsere Zukunft und die Zukunft unserer Kinder. Ich glaube, wenn wir unsere Kinder davor bewahren, dass sie von einer Schuldenlast erdrückt werden, und wenn wir unsere Kinder davor beschützen, dass sie die Folgen eines Staatsbankrotts ertragen müssen, dann ist das das Beste, was wir für unsere Kinder tun können.
(Beifall bei CDU, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)
Genau hieran entscheidet sich die Frage der Generationengerechtigkeit, und hieran entscheidet sich, ob wir alle zusammen eine verantwortungsvolle und nachhaltige Politik betreiben.

Mein Dank gilt deshalb allen Fraktionen und allen Abgeordneten, die mit ihren Stimmen diese Verfassungsänderung heute möglich machen. Insbesondere möchte ich mich bei meinen Kolleginnen und Kollegen der finanzpolitischen Sprecher für die wirklich konstruktive und zielorientierte Zusammenarbeit bedanken.
(Katharina Loedige [FDP]: Waren da auch Frauen dabei?)
- Katharina, auch dir herzlichen Dank.

Mein Dank gilt auch dem Wissenschaftlichen Dienst für seine fundierte und zügige juristische Beratung und dem Vorsitzenden des Finanzausschusses für seine anerkennenden Worte, die er für unsere Arbeit gefunden hat.

(Zuruf der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das jetzt vorliegende Ergebnis schließt eine Aufnahme von Krediten grundsätzlich aus. Konjunkturelle Entwicklungen sind symmetrisch zu berücksichtigen, das heißt, in Zeiten wirtschaftlichen Abschwungs können Kredite aufgenommen werden, um die Folgen einer Wirtschaftskrise auszugleichen. Diese müssen dann aber in Zeiten des Aufschwungs - zukünftig verbindlich - wieder getilgt werden.

(Dr. Christian von Boetticher [CDU]: Sehr gut!)

Ansonsten sind Kreditaufnahmen nur zum Ausgleich von Naturkatastrophen und außergewöhnlichen Notsituationen zulässig. Damit kann ich feststellen: Das Kernstück des ursprünglichen Gesetzentwurfs von CDU und FDP, nämlich der neue Artikel 53, bleibt damit nahezu unverändert bestehen. Mit der Vorgabe einer Zweidrittelmehrheit für die Beschlussfassung über Naturkatastrophen und Notsituationen wird die Messlatte sogar noch etwas höher gelegt.

Die neu formulierte Übergangsbestimmung in Artikel 59 a knüpft die bis zum Jahr 2019 noch zulässige Kreditaufnahme strikt an die Einhaltung des Abbaupfades zum Ausgleich des strukturellen Defizits. Legt man für das Jahr 2010 ein strukturelles Defizit von 1,25 Milliarden € zugrunde, so muss die zum Ausgleich notwendige Kreditaufnahme jährlich um 125 Millionen € sinken, um dieser Verfassungsvorgabe Genüge zu tun. Auch eine Änderung dieser Bestimmung ist zukünftig ebenfalls nur mit Zweidrittelmehrheit möglich. Gegenüber dem bisherigen Gesetzentwurf ist auch dies eine klare Präzisierung. Durch deren Einhaltung wird zugleich die Konsolidierungshilfe von jährlich 80 Millionen € durch Bund und Länder sichergestellt.

Durch Absatz 3 des Artikels 59 a sowie durch die begleitende Resolution bringen wir die Bedeutung der Bundesgesetzgebung für das Einhalten der Schuldenbremse zum Ausdruck. Der Bund darf uns durch seine Gesetzgebung nicht die Geschäftsgrundlage für die Umsetzung der Schuldenbremse entziehen.

Nach meiner festen Überzeugung ist Schleswig-Holstein vielmehr darauf angewiesen, dass es in den nächsten Jahren zu strukturellen Veränderungen in der Steuergesetzgebung kommt. Außerdem müssen wir zu einer Flexibilisierung in der Anwendung von Bundesgesetzen gelangen, sodass wir diese besser an die individuellen Gegebenheiten unseres Bundeslandes anpassen können.
(Beifall bei CDU und FDP)
Mit der Ergänzung des Artikels 49 der Landesverfassung stellen wir außerdem klar, dass die Einhaltung der Schuldenbremse nicht einseitig zulasten der Kommunen gehen darf. Im Sinne einer Verteilungssymmetrie wird das Land vielmehr im Rahmen seiner finanziellen Möglichkeiten eine angemessene Finanzausstattung der Kommunen gewährleisten.

Zu guter Letzt haben wir auch die Anregungen des Landesrechnungshofs, auf die uns der Präsident in der vergangenen Sitzung des Finanzausschusses hingewiesen hat, in einem weiteren Änderungsantrag für die heutige Sitzung berücksichtigt.

Dass diese Verfassungsänderung durch eine derartig breite Mehrheit des Hauses getragen wird, hätte kaum einer für möglich gehalten.
(Ulrich Schippels [DIE LINKE]: Wir auch nicht!)

Diese Zustimmung ist Ausdruck der gemeinsamen Verantwortung, die wir für unser Land tragen. Im Übrigen sind auch diejenigen Abgeordneten, die heute ihre Zustimmung verweigern sollten, zukünftig an die Vorgaben der Verfassung gebunden - dieser Hinweis geht in Richtung der Kollegen der Linksfraktion.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und FDP - Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

„Die Einhaltung der Schuldenbremse erfordert Einsparungen in relevanter Größenordnung im Landeshaushalt“ - so haben wir es in unserer gemeinsamen Resolution formuliert. Mit der heutigen Abstimmung ist deshalb die Frage, ob es zu einer konsequenten Haushaltskonsolidierung kommt, endgültig entschieden. Auch wenn es sicherlich unterschiedliche Auffassungen über erforderliche strukturelle Veränderungen und einzelne Maßnahmen geben wird: Mit der bloßen Ablehnung von Einsparvorschlägen allein ist es zukünftig nicht mehr getan.
(Vereinzelter Beifall bei CDU und FDP)
Alle Fraktionen sind aufgefordert, genauso konstruktiv und zielorientiert an der Umsetzung der Schuldenbremse mitzuwirken, wie sie es bei der Formulierung der heutigen Verfassungsänderung getan haben. Erst daran wird sich zeigen, ob alle Fraktionen auch zu ihrer Verantwortung stehen und die beschlossenen Verfassungsänderungen wirklich ernst nehmen. Ich bin mir sicher: Die vor uns liegenden Wochen mit der Diskussion über das Konzept der Landesregierung zur Einhaltung der Schuldenbremse sowie die konkreten Vorschläge für den Doppelhaushalt 2011/2012 bieten ausreichend Anlass, dies unter Beweis zu stellen. Ich sehe den kommenden Diskussionen mit Spannung entgegen.
(Beifall bei CDU und FDP sowie der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Lars Harms [SSW])