Gastschulabkommen mit der Freien und Hansestadt Hamburg

27.04.2016

Rede in der Landtagssitzung am 27. April 2016
 

Tobias Koch [CDU]:
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
„Wir verfolgen das Ziel, bis zum Ablauf des bestehenden Gastschulabkommens Ende 2015 … eine freie Schulwahl zwischen Schleswig-Holstein und Hamburg … zu erreichen.“
So steht es im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und SSW. Mit diesem populären Wahlversprechen sind SPD und Grüne im letzten Landtagswahlkampf im Hamburger Rand auf Stimmenfang gegangen. Heute haben wir nun Ende April 2016. Wir können deshalb mit Fug und Recht feststellen: Versprochen und gebrochen!

(Widerspruch SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Abschluss des Gastschulabkommens Ende 2010 zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein hat den stark begrenzten finanziellen Möglichkeiten des Landes Schleswig-Holstein Rechnung getragen. Die 30-Millionen-€-Forderung Hamburgs war für SchleswigHolstein schlichtweg nicht zu bezahlen. So war es zweifelsohne ein Erfolg, für rund ein Drittel der geforderten Summe eine Besitzstandswahrung zu erreichen, sodass keiner der mehreren tausend schleswig-holsteiner Schüler eine Hamburger Schule verlassen musste. Das hatte allerdings die Konsequenz eines stark eingeschränkten Zugangs nach Hamburg für neue Schüler aus Schleswig-Holstein. Genau hierin ist in den vergangenen Jahren auch die Schwäche des bestehenden Gastschulabkommens deutlich geworden.
Ich will das an zwei konkreten Beispielen aus meinem Wahlkreis deutlich machen:
Die Gemeinde Stapelfeld liegt unmittelbar an der Hamburger Stadtgrenze. Dennoch dürfen die Schülerinnen und Schüler nicht das benachbarte Gymnasium in Rahlstedt besuchen, sondern müssen täglich den doppelt oder dreifach so langen Weg nach Großhansdorf oder Trittau zurücklegen.
Besser dagegen haben es die Schülerinnen und Schüler aus der direkten Nachbargemeinde Stapelfeld, nämlich aus der Gemeinde Barsbüttel. Die dürfen aufgrund einer Ausnahmeregelung im Gastschulabkommen Hamburger Gymnasien besuchen.
Die Auszubildende zur Augenoptikerin aus der Gemeinde Ammersbek wiederum könnte in ihrem Heimatort sogar in die U-Bahn einsteigen und damit in 30 Minuten zur Berufsschule Hamburg fahren. Dennoch wird ihr eine Fahrt von zwei Stunden und zehn Minuten zur Berufsschule auf dem Priwall in Lübeck-Travemünde zugemutet - mit der Begründung, dass dort eine Blockbeschulung mit Internatsunterbringung angeboten wird -, was sowohl für die Auszubildende als auch den Ausbildungsbetrieb mit besonderen Beeinträchtigungen verbunden ist.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Beispiele zeigen meines Erachtens sehr eindrücklich, weshalb Nachbesserungsbedarf am Gastschulabkommen besteht.

(Beate Raudies [SPD]: Hört, hört!)

Dennoch wurden die Kolleginnen Klahn und Franzen sowie auch ich selbst bei unseren Anfragen zum Verhandlungsstand in den letzten Jahren immer wieder mit nichtssagenden Antworten der Landesregierung abgespeist. Das wäre ja alles noch zu verschmerzen gewesen, wenn die Regierung dann wenigstens ihr Wahlversprechen bis Ende 2015 eingehalten hätte. Stattdessen wurde das bestehende Gastschulabkommen automatisch sang- und klanglos um ein weiteres Jahr verlängert, ohne auch nur eine einzige Verbesserung herbeizuführen.

Genau an dieser Stelle setzt nun der Antrag der CDU-Fraktion an. Wenn es der Regierung schon nicht gelingt, ihr Wahlversprechen einer freien Schulwahl über Landesgrenzen hinweg zu erfüllen, dann wäre es doch ein pragmatischer erster Schritt, zumindest für einen begrenzten Kreis besonders betroffener Kommunen weitere Ausnahmeregelungen nach dem Beispiel der Gemeinde Barsbüttel auszuhandeln.
Anstatt aber diesen konstruktiven Vorschlag aufzugreifen und zügig umzusetzen, sorgen die Regierungsfraktionen erst einmal für eine Verschiebung des Antrages von März auf April 2016 und präsentieren heute doch nur wieder einen Wischiwaschi Antrag, wonach der Landtag die Landesregierung bei ihren Verhandlungen unterstützen soll. - Frau Ministerin, hätten Sie uns das doch bloß schon einmal früher gesagt! Es ahnt doch keiner, dass Sie bei Ihren Gesprächen unter Parteifreunden auf fremde Hilfe angewiesen sind! - Selbstverständlich wäre ich jederzeit bereit, Sie persönlich bei Ihren Gesprächen zu unterstützen; das mache ich doch sofort.

(Beate Raudies [SPD]: Nein, lieber nicht! Dr. Ralf Stegner [SPD]: Wir wollen gute Ergebnisse!)

- Ja, Sie wollen das doch heute so beschließen: Wir sollen die Landesregierung unterstützen. Das mache ich gern. Aber machen Sie dann bitte auch von diesem Angebot Gebrauch, wenn Sie das heute tatsächlich so beschließen sollten.
Und während der Kollege Habersaat schon öffentlich verkündet, dass eine Lösung kurz bevorstehe, ist in dem Antrag der Regierungsfraktionen jetzt wieder die Rede von einer schrittweisen Einführung, und die freie Schulwahl wird gar zum langfristigen Ziel heruntergestuft.
Meine Damen und Herren, da bin ich jetzt wirklich einmal gespannt, was die Bildungsministerin heute in dieser Debatte dazu verkünden wird. Im Interesse der Schülerinnen und Schüler, nicht nur aus dem Kreis Stormarn, sondern aus dem gesamten Hamburger Rand, würde ich mir wünschen, dass die Landesregierung an dieser Stelle tatsächlich einmal erfolgreich ist.
Schon jetzt ist die Landesregierung mit ihrem gebrochenen Wahlversprechen nicht nur wenige Monate im Verzug, sondern die Neuregelung kommt für einen kompletten Schuljahrgang zu spät. Denn da die Auswahl der weiterführenden Schulen für den Jahrgang 2016/2017 bereits in den vergangenen Wochen stattgefunden hat, kommt keiner dieser Schüler in den Genuss einer freien Schulwahl.
Vizepräsidentin Marlies Fritzen:

Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Schluss.

Tobias Koch [CDU]:
Ich würde meinen letzten Satz formulieren wollen, Frau Präsidentin. - Eine wie auch immer geartete Neuregelung kann daher erst für das Schuljahr 2017/2018 ihre volle Wirkung entfalten.

(Zuruf Beate Raudies [SPD])

Ich will deshalb nicht hoffen, dass die Lösung der Landesregierung darin besteht, jetzt einen neuen Vertrag abzuschließen, für dessen ungedeckte Finanzierung dann die Nachfolgeregierung aufkommen muss.

(Beate Raudies [SPD]: Oh!)

Das wäre nicht nur ein gebrochenes Wahlversprechen, das wäre glatter Wahlbetrug. - Herzlichen Dank, auch Ihnen, Frau Präsidentin.

(Vereinzelter Beifall CDU und FDP)

Vizepräsidentin Marlies Fritzen:
Vielen Dank. - Wir kommen zu den Dreiminutenbeiträgen. Ich habe Sie beide gesehen, aber ich habe erst Herrn Koch gesehen. Ich denke, das ist okay. Jetzt hat Tobias Koch von der CDU-Fraktion das Wort.

Tobias Koch [CDU]:
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die heutige Debatte hat meines Erachtens einen deutlichen Erkenntnisgewinn gebracht: Vier Jahre lang haben die Abgeordneten der Regierungsfraktionen im Hamburger Rand den Eindruck erweckt, dass es - gestützt auf diese Formulierung im Koalitionsvertrag - noch in dieser Wahlperiode eine freie Schulwahl über die Landesgrenzen hinweg geben würde. Das wurde immer wieder so vor Ort vertreten. Heute erfahren wir: Nein, das war alles gar nicht so gemeint, es war nur das Ziel, eine gemeinsame Bildungsplanung zu beschließen, um dann irgendwann unbestimmt und in der Zukunft vielleicht einmal eine freie Schulwahl hinzubekommen. Da haben Sie den Menschen am Hamburger Rand mit Ihrer Formulierung in den letzten Jahren aber ganz schön Sand in die Augen gestreut.

(Zuruf Lars Winter [SPD])

Eine zweite Anmerkung lautet, das sei 2010 eine peinlich lange Verhandlungsdauer gewesen. Wir wollen doch einmal das heute schon zitierte Milchmädchen mit seinen Rechenkünsten zurate ziehen: Regierungsbeginn von CDU und FDP war Mai 2009, der Abschluss des Gastschulabkommens mit Hamburg erfolgte im Oktober 2010. Das sind grob eineinhalb Jahre. Sie regieren jetzt seit vier Jahren und haben kein neues Abkommen hinbekommen. Wie peinlich ist das denn?

(Beifall CDU und FDP)

Dann kommt noch der schönste Vorwurf von allem: Der Antrag der CDU-Fraktion komme zu einer Unzeit, weil er in die laufenden Verhandlungen mit Hamburg eingreifen würde. - Ja, wann denn sonst, meine Damen und Herren? Sollen wir die Anträge stellen, wenn die Verhandlungen abgeschlossen sind? - Da fragen wir seit Jahren: Wie sieht es mit den Verhandlungen aus? Wie weit seid ihr? Wir kriegen als Antwort immer nur 08/15-Sätze: Ja, wir sind in Gesprächen.
Jetzt machen wir einen konkreten Vorschlag für genau diese Verhandlungen, die im Augenblick laufen, damit Sie diesen Vorschlag in die Verhandlungen einbringen können, und da wird uns gesagt, das komme zur Unzeit. Was ist das denn für ein Parlamentsverständnis?
Vizepräsidentin Marlies Fritzen:

Herr Kollege, gestatten Sie eine Bemerkung des Herrn Abgeordneten Dr. Stegner?

Tobias Koch [CDU]:

Nein.

(Beifall CDU und FDP)