Erster Parlamentarischer Untersuchungsausschuss HSH Nordbank

26.08.2011

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Stellen wir uns einmal vor, ein achtzehnjähriger Fahranfänger bekommt von seinen Eltern einen schicken Sportwagen geschenkt, weil der alte VW Golf gerade seinen Geist aufgegeben hat.
Kurze Zeit später landet der schnelle Flitzer mit einem Totalschaden an einem Baum. Nun kann man natürlich kritisieren, dass der Fahrlehrer seinen Job nicht gut gemacht hat. Man kann auch der Werkstatt vorwerfen, dass sie den Wagen nicht ordentlich gewartet hat. Und man kann auch die Polizei beschuldigen, dass sie den jungen Raser nicht schon längst vorher aus dem Verkehr gezogen hat. 

(Monika  Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer hat den Baum gepflanzt? - Heiterkeit bei SPD und FDP) 

- Das Beispiel ließe sich fortführen.

Letztlich bleibt es aber dabei: Die eigentliche Ursache für den Unfall war die Anschaffung eines völlig ungeeigneten, weil viel zu riskanten Fahrzeugs.

(Zurufe)

Daran ändert sich auch nichts, wenn Onkel Ralf selbstbewusst behauptet, bis 50 m vor dem Aufprall war alles in bester Ordnung, bis dahin lief der Wagen reibungslos, und die Anschaffung war deshalb absolut richtig, auch wenn wir die Technik des Wagens nie richtig verstanden haben.

(Beifall bei CDU und FDP)

Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich, aber ich denke, die Analogie ist trotzdem deutlich geworden.

Wirtschaftsprüfer, Ratingagenturen, Bankenaufsicht, Vorstand, Aufsichtsrat und Anteilseigner, sie alle haben ihren spezifischen Anteil an der Schieflage der HSH Nordbank. Ich denke, wenn wir in dieser zweijährigen Tätigkeit des HSH-Untersuchungsausschusses eine gemeinsame Erkenntnis gewonnen haben, dann ist es die, dass es nicht den einen Schurken gibt, wie der Kollege Weber vollkommen zu Recht formulierte.

Dass dann der Kollege Fürter immer noch einseitig auf die Person von Finanzminister Wiegard abstellt, fällt eher in die Kategorie leicht durchschaubares Oppositionsgebaren.

(Thorsten Fürter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warten wir ab!)

Durch die Arbeit des Untersuchungsausschusses wird diese Feststellung jedenfalls nicht gedeckt, Kollege Fürter.

Nun mögen Sie sagen, auch die CDU agiere ähnlich durchsichtig, indem sie hauptsächlich die Verantwortung auf die rot-grüne Vorgängerregierung und ihre Entscheidungen im Jahr 2003 abschiebe.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

Der entscheidende Unterschied besteht darin, dass wir uns durchaus auch selbstkritisch mit dem auseinandersetzen, was wir als Oppositionspartei im Jahr 2003 mitbeschlossen haben.

(Bernd Schröder [SPD]: Das ist neu!)

Um noch einmal das anfangs gezeichnete Bild aufzugreifen: die CDU und übrigens damals auch der SSW waren eher so etwas wie die Großeltern, die noch Geld dazugegeben haben, um den Kauf des Wagens zu finanzieren. Die eigentliche Entscheidung über den Kauf wurde aber von der rot-grünen Landesregierung getroffen.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

Deswegen finde ich es ausgesprochen fragwürdig, Herr Stegner, wenn Sie, wenn die SPD und die Grünen, in den eigenen Entscheidungen des Jahres 2003 überhaupt keine Fehler
erkennen können, sondern nur lupenreine, richtige Entscheidung und ausschließlich Fehlerursachen in den Jahren 2007 und 2008 suchen, und dann natürlich bei anderen, im Fall der SPD erst nach dem Ausscheiden von Herrn Stegner im März 2008. Das versteht sich von selbst. Vorher wurden keine Fehler gemacht. Erst anschließend wurden die Fehler gemacht - ganz klar.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Er geht raus, und schon geht es mit der Bank bergab!)

Als Obmann meiner Fraktion habe ich mich in unserer Stellungnahme durchaus um ein differenziertes und ausgewogenes Fazit bemüht. Ein gutes Beispiel dafür ist das
Schnellankaufverfahren. Da haben wir im letzten Landtagswahlkampf die Rolle von Ralf Stegner noch äußerst kritisch thematisiert, nachdem bekannt geworden war, dass er bereits im Frühjahr 2005 über die Einführung des Schnellankaufverfahrens informiert worden ist. Heute wissen wir durch die Untersuchungstätigkeit des Ausschusses, dass das Schnellankaufverfahren ein grundsätzlich branchenübliches Verfahren ist und dass die im Laufe der Zeit vorgenommenen reduzierten Sicherungsanforderungen allein vom Vorstand ohne Kenntnis des Aufsichtsrats
vorgenommen wurden. Deshalb fairerweise an dieser Stelle kein weiterer Vorwurf an die damalige Landesregierung.

(Zurufe von der SPD: Oi, oi, oi!)

Andererseits haben wir auch das Verhalten des Aufsichtsrates zurzeit der Großen Koalition kritisch gewürdigt. Ein aktiveres Handeln des Aufsichtsrates wäre nach unserer Auffassung in den Jahren 2007 und 2008 wünschenswert gewesen.

(Hans-Jörn Arp [CDU]: Wer war denn da im Aufsichtsrat?)

Nun ist die Behauptung von Herrn Dr. Stegner, dass er keine einzige Sitzung des Aufsichtsrats erinnere, in der er auf eine problematische Entwicklung der Bank hingewiesen wurde, nicht deckungsgleich mit den vom Untersuchungsausschuss festgestellten Tatsachen. Angesichts einer wachsenden Unsicherheit und erster negativer Auswirkungen für die Bank hätte ein mutigeres Eingreifen des Aufsichtsrates im Laufe des Jahres 2007 die Verluste zwar nicht vermeiden, aber zumindest reduzieren können.

Wir würden jedoch nicht so weit gehen wie der Obmann der Grünen, der steif und fest behauptet, die Finanz- und Wirtschaftskrise sei bereits 2007 für jeden Laien vorhersehbar gewesen. Streichen wir Laien, und sagen wir ---
(Thorsten Fürter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Man muss schon ein bisschen was verstehen vom Fach! - Lachen bei CDU und FDP)
-
Da Sie das offensichtlich getan haben, Kollege Fürter, frage ich mich: Warum sitzen Sie eigentlich noch hier? Sie hätten jetzt eigentlich mehrfacher Millionär sein müssen. Wenn Sie das alles 2007 gewusst haben, hätten Sie der große Gewinner diese Krise sein können, hätten Sie der George Soros der schleswig-holsteinischen Finanzbranche sein können. Sie dürften jetzt hier gar
nicht mehr sitzen. Sie müssten irgendwo in der Karibik auf einer Insel liegen, wenn Sie das alles gewusst hätten.

(Beifall bei CDU und FDP)

Wenn renommierte Institute wie die amerikanische Citygroup, die Schweizer UBS, die deutsche Commerzbank, die britische Royal Bank of Scotland dies nicht gekonnt haben, diese Finanz- und Weltwirtschaftskrise nicht vorhergesehen haben, war die Krise offensichtlich nicht vorhersehbar, und das, obwohl bei den genannten Banken keine Politiker in den Aufsichtsräten saßen. Deswegen: Nachträglich ist es immer leicht zu behaupten, man habe alles vorhergesehen, das eine oder andere Ereignis sei ein ganz klares Warnsignal gewesen. Tatsache ist: Keiner der
heutigen Kritiker hat diese Kritik bereits im Jahr 2007 geäußert.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

Wer von uns könnte heute sagen, wie die weltweite Staatsverschuldungskrise ausgeht?
Werden wir diese Krise meistern? Gibt es den totalen weltwirtschaftlichen Zusammenbruch? Wir können das heute genauso wenig vorhersagen, wie man 2007 vorhersagen konnte, dass es zu einer weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise kommen würde.

Ich erwähnte das Stichwort Politiker im Aufsichtsrat und will kurz darauf eingehen.
Es ist schon sehr eigenwillig. Da heißt es bei den Grünen, die HSH Nordbank sei vom Aufsichtsrat und den dort sitzenden Politikern katastrophal überwacht worden. Andererseits verlangt man wieder, dass Mitglieder der Landesregierung in den Aufsichtsrat entsandt werden sollen.

Ich muss schon sagen: Angesichts einer Aufsichtsratsvorsitzenden Heide Simonis, die trotz eines Studiums der Volkswirtschaftslehre freimütig erklärt, sie sei von den englischen Fachbegriffen überfordert gewesen und man sei total besoffen gewesen vom Erfolg, würde ich mich mit solchen Forderungen zurückhalten, erst recht aus den Reihen der SPD.

Auch wenn wir das Handeln der Landesregierung bei der Rettung der HSH Nordbank betrachten, müssen wir feststellen, dass die Opposition da zu sehr eigenwilligen Sichtweisen kommt. So geht der SSW nach wie vor davon aus, dass es möglich gewesen wäre, die HSH Nordbank dem Bund, dem SoFFin, aufs Auge zu drücken. Nun hat der Untersuchungsausschuss dank der Aussage des ehemaligen Bundesfinanzministers Peer Steinbrück ganz klar herausgearbeitet, dass der Bund unter keinen Umständen auf Basis des Finanzstabilisierungsgesetzes für die
Altlasten eingetreten wäre.

Dennoch
- das haben wir in unserem Abschlussbericht fairerweise dargestellt - gab es ein kurzes Zeitfenster, nämlich vor Verabschiedung des Gesetzes. Damals sind auch die Verhandlungen mit dem Bund geführt worden. Tatsache ist auch, die Länder hätten sich im Gegenzug an dem 500‑Milliarden‑€-Bankenrettungsschirm mit 35 % beteiligen müssen. Es wäre also nicht kostenlos gewesen, wenn der Bund, der SoFFin, für die HSH Nordbank eingetreten wäre.

Das Entscheidende dabei ist: Das war damals öffentlich bekannt. Am 15. Oktober 2008 berichtete das „Handelsblatt“ über die Beratungen in Berlin und hat dargestellt, wie die Sichtweise einzelner Länder war.

Also auch dem SSW war die Sachlage im Oktober 2008 bekannt. Kritik an der Entscheidung, die damals getroffen wurde, und erst recht abweichende Anträge des  SSW hat es nicht gegeben. Deshalb gilt auch hier: Nachträglich ist es immer leicht, Kritik zu äußern. Zu dem Zeitpunkt, als es darauf ankam, hatte auch der SSW keine anderen Antworten parat.

Präsident Torsten Geerdts:
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Lars Harms?

Tobias Koch  [CDU]:

Sehr gern; ich habe eh schon Schwierigkeiten mit meiner Redezeit.

Lars Harms [SSW]: Lieber Kollege Koch, ist Ihnen bewusst, dass der SSW seinerzeit, als es um die Abstimmung über die Rettungspakete ging, bewusst dagegen gestimmt hat, weil wir es für notwendig erachtet hatten, mit dem Bund in vernünftige Gespräche einzutreten? Würden Sie anerkennen, dass man dem SSW, zumindest was das Zeitfenster angeht, hier nichts vorwerfen kann?

-
Herr Kollege, genau den Vorwurf wollte ich Ihnen jetzt machen, dass Sie im Frühjahr 2009 die Rettung der HSH Nordbank abgelehnt haben. Zu diesem Zeitpunkt gab es keine andere Möglichkeit mehr. Das Finanzmarktstabilisierungsgesetz war zu diesem Zeitpunkt in Kraft, und es ließ keine andere Möglichkeit mehr zu.
Wenn, hätte man im Oktober zu einer anderen Entscheidung gelangen müssen. Wir wissen alle noch, dass das Gesetz damals in einer Hauruckaktion von einer Woche vom Bundestag beschlossen worden ist. Es gab ein Zeitfenster, das vielleicht einen Tag betrug. An diesem Tag hätten damals alle Länder sagen müssen: Ja, wir machen das so, die Landesbanken kommen dort mit rein, und wir als Länder übernehmen 35 % von 500 Milliarden € Risiko aus dem Rettungsschirm. Da haben die Länder damals gesagt: Das machen wir nicht. In der Zeitung werden dafür Bayern und Nordrhein-Westfalen zitiert, die das kategorisch abgelehnt haben. Es war also nicht die eigene Entscheidung der Landesregierung, es war die mangelnde Bereitschaft anderer Bundesländer, diesen Weg zu gehen. Damit war der Drops gelutscht. Man hat sich mit dem Bund im Oktober nicht geeinigt. Danach war die Faktenlage klar. Deswegen wäre auch im Frühjahr 2009 eine andere Entscheidung überhaupt nicht möglich gewesen.

Es ist das Versagen der damaligen Opposition gewesen, dass sie in Kenntnis der Faktenlage, in Kenntnis des Gesetzestextes die Rettung der HSH Nordbank verweigert hat und bereit war, unabsehbare Folgen für das Land in Kauf zu nehmen und die Bank lieber pleitegehen zu lassen, als in Kenntnis der Fakten hier die richtige Entscheidung zu treffen. Den Vorwurf mache ich Ihnen heute nach wie vor.

(Beifall bei der CDU und des Abgeordneten Jens-Uwe Dankert [FDP])

Das sage ich auch vor dem Hintergrund der aktuellen Berichterstattung. Die Entscheidung von Landesregierung und Landtag ist damals richtig gewesen. Das Rettungspaket, das wir damals geschnürt haben, wurde zwischenzeitlich von 13 Milliarden € auf rund 10 Milliarden € reduziert. Das resultiert aus der Rückgabe von Garantien über 2 Milliarden € und bereits gezahlten Garantieprovisionen von rund 1 Milliarde €, die die Bank an Hamburg und Schleswig-Holstein gezahlt hat. Auf der anderen Seite werden sich die Risiken aus der Gewährträgerhaftung, die sich Ende 2008 noch auf rund 65 Milliarden € beliefen, bis Ende dieses Jahres auf 38,8 Milliarden € reduziert haben. Das war die Situation, vor der wir damals standen. 65 Milliarden € Risiken, die Vorgängerregierungen eingegangen waren und die uns damals als Mühlstein um den Hals hingen.

In der Summe sind die Risiken für die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein und damit für den Steuerzahler zwischenzeitlich um mehr als 15 Milliarden € gesunken. Es besteht nach wie vor die Chance auf eine positive Entwicklung der Bank, sodass am Ende sogar ein Überschuss für den Steuerzahler entstehen kann.

Als CDU-Fraktion treten wir seit Langem für einen Verkauf der Anteile an der HSH Nordbank ein. Die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses bestätigen uns in dieser Auffassung. Wir begrüßen deshalb, dass sich mittlerweile auch die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dieser Position angeschlossen hat. Deshalb mutet es umso skurriler an, dass DIE LINKE, die am Geschäft der HSH kein einziges gutes Haar gelassen hat, eine Veräußerung der Anteile trotzdem kategorisch ablehnt, einfach weil man gegen jede Form von Privatisierung ist.

Meine Damen und Herren, ich hoffe gleichwohl, dass alle Mitglieder des Untersuchungsausschusses in den vergangenen zwei Jahren ein besseres Verständnis für das Bankgeschäft insgesamt und vor allen Dingen eine größere Sensibilität für unsere wichtigste Beteiligung, die HSH Nordbank, entwickelt haben. Der heutige Dringlichkeitsantrag der SPD lässt mich daran ein wenig zweifeln, was die Sensibilität anbelangt.

(Glocke des Präsidenten)

Allein dadurch wäre die Arbeit des Ausschusses schon ein Erfolg. Wenn auch der Untersuchungsauftrag mit dem heutigen Tag zu Ende geht, wird uns die Zukunft der HSH Nordbank weiter beschäftigen. Sie ist von entscheidender Bedeutung für unser Land.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)