Bericht zur Zinssicherung

21.11.2013

Rede in der Landtagssitzung am 21.11.2013

Tobias Koch [CDU]:
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn bei einem privaten Häuslebauer die Baufinanzierung in zwei Jahren ausläuft, kann er zur Bank gehen und sich schon heute die Anschlussfinanzierung ab 2016 sichern. Für ein solches Forward-Darlehen zahlt er einen Zinssatz, der etwa einen halben oder dreiviertel Prozentpunkt höher liegt als die heutigen Sätze. Steigt das Zinsniveau bis 2016 um mehr als diesen halben oder dreiviertel Prozentpunkt, geht die Rechnung für den Häuslebauer auf. Liegt das Zinsniveau 2016 aber auf dem gleichen Niveau wie heute, dann zahlt der Kreditnehmer für die anschließende Kreditlaufzeit von fünf oder zehn Jahren genau diesen halben oder dreiviertel Prozentpunkt als überhöhten Zinssatz, er setzt also Geld zu. Dieser Zinsaufschlag ist die Risikoprämie, die der Kreditnehmer aufwendet, um sich bereits heute Sicherheit für Zinssätze in der Zukunft zu erkaufen.

Vergleichbares will die Landesregierung jetzt in verstärktem Maße betreiben, nur dass Sie angesichts von 27 Milliarden € Schulden nicht so einfach zur Bank gehen können, Frau Heinold. Das Land Schleswig-Holstein finanziert sich und seine Verschuldung am Kapitalmarkt und kann deshalb ein solches Forward-Darlehen nur durch den Einsatz von Optionsgeschäften und anderen Derivaten synthetisch darstellen. Im Kern der Sache handelt es sich aber um nichts anderes als die frühzeitige Zinssicherung des privaten Häuslebauers. Insofern könnte man sagen: Die Landesregierung verhält sich wie Otto-Normalbürger.

Man kann aber auch genauso gut die umgekehrte Sichtweise vertreten. Nach dieser Auffassung betreibt die Landesregierung mit dem Einsatz von Derivaten Spekulationsgeschäfte. Es besteht nämlich das Risiko, dass die für die Zinssicherung aufgewandten Mittel und die erworbenen Optionen am Ende einen Totalverlust darstellen. Als Kronzeuge für diese Position lässt sich ausgerechnet das Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalen heranziehen. Wie ich gehört habe, war der für das Kredit- und Zinsmanagement zuständige Referatsleiter unseres Finanzministeriums dort zu Gast und hat das schleswig-holsteinische Modell der Zinssicherung vorstellt.

Anschließend hat sich das rot-grün regierte Nordrhein-Westfalen klar dagegen entschieden. Die Begründung, die mir wohlgemerkt nicht aus Kreisen der dortigen Landtagsopposition, sondern aus Kreisen des nordrhein-westfälischen Finanzministeriums zugetragen wurde, lautete sinngemäß - der Herr Staatssekretär lächelt und grinst schon -: Das sei ja nichts anderes als Spekulation, was die Schleswig-Holsteiner dort machten. - Hört, hört!
Nordrhein-Westfalen bleibt deshalb bei der klassisch- konservativen Vorgehensweise und sichert sich das gegenwärtig niedrige Zinsniveau ausschließlich dadurch, dass bei Neukrediten und Prolongationen möglichst lange Laufzeiten gewählt werden - wie wir das auch tun -; auf den Einsatz von Derivaten wird dagegen vollständig verzichtet. Umso erstaunlicher ist es, dass ausgerechnet SPD, Grüne und SSW in Schleswig-Holstein den Einsatz von Finanzderivaten, deren Einsatz an anderer Stelle von Ihnen massiv kritisiert wird, jetzt in Schleswig-Holstein massiv ausweiten wollen.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Wahrscheinlich der SSW, der darauf drängt! - Birgit Herdejürgen [SPD]: Das gibt es schon seit Jahrzehnten!)

Soweit die beiden unterschiedlichen Sichtweisen. Welche davon richtig oder falsch ist, lässt sich heute von niemandem seriös beantworten. Wir alle wissen: Prognosen sind schwierig, insbesondere wenn sie sich auf die Zukunft beziehen. Genauso ist es im vorliegenden Fall. Welche Sichtweise richtig oder falsch ist, hängt von der Zinsentwicklung in den kommenden Jahren ab. Dafür haben wir leider alle keine Glaskugel zur Hand.
Deshalb werden wir die Landesregierung vonseiten der CDU-Fraktion für den Ausbau der Zinssicherung nicht kritisieren, wir werden dafür aber auch keinen Beifall klatschen. Es ist Ihre Entscheidung, die wir hier zur Kenntnis nehmen. Bei der Abstimmung über den Antrag der FDP-Fraktion werden wir uns enthalten. Es ist eine politische Entscheidung der Landesregierung, die auf einer bestimmten Meinung, auf einer bestimmten Zinsprognose basiert. Das sind Ihre Meinung und Ihre Zinsprognose. Ob Sie damit richtig liegen, wird sich in den Jahren 2016 und 2017 zeigen.

(Zuruf)

Frau Heinold und Herr Losse-Müller, ich verspreche Ihnen: Wenn Ihre Rechnung aufgeht, werde ich Ihren Weitblick öffentlich anerkennen. Ich verspreche Ihnen aber auch: Wenn die Rechnung nicht aufgeht und Sie mit der Zinssicherung 30 Millionen € Steuergelder verzockt haben, dann werden wir von Ihnen 2016 oder 2017 persönliche Konsequenzen einfordern.

(Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine starke Opposition! -

Weitere Zurufe)

Es ist Ihre Entscheidung - im Zweifelsfall auch Ihre, Herr Andresen -, deshalb tragen Sie auch die Verantwortung dafür. Glauben Sie bitte nicht, dass Sie sich mit dem Ausbau der Zinssicherung in alle Richtungen gleichzeitig absichern können. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Vereinzelter Beifall CDU)