2. Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Veröffentlichung der Bezüge

19.06.2015

Rede in der Landtagssitzung am 19. Juni 2015

2. Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Veröffentlichung der Bezüge der Mitglieder von Geschäftsführungsorganen und Aufsichtsgremien öffentlicher Unternehmen in SH

Tobias Koch [CDU]:
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen!
Sehr geehrte Damen und Herren auf der Besuchertribüne!
Die CDU-Fraktion steht für Transparenz bei der Veröffentlichung von Bezügen, und zwar zu 100 % und nicht nur zu 50 %, wie uns die Finanzministerin meinte, vorwerfen zu müssen.
Oder würden Sie, Frau Heinold, auch Ihren Parteifreunden in Rheinland-Pfalz den Vorwurf machen, nur zu 50 % für Transparenz zu sorgen?
Der Gesetzentwurf der dortigen rot-grünen Landesregierung sieht nämlich vor, bei Beteiligung des Landes an privatrechtlichen Unternehmen die Vergütung offenzulegen. Regelungen für den kommunalen Bereich enthält das Gesetz in Rheinland-Pfalz hingegen nicht. Die Sparkassen sind in Rheinland-Pfalz nach § 3 des Gesetzes von der Veröffentlichung der Bezüge explizit ausgenommen. Die Kommunen sind nämlich Träger der Sparkassen, haften aber nicht für sie; und somit ist auch gar keine Gefahr gegeben, dass der Steuerzahler für Verluste der Sparkassen aufkommen muss, wie es in der Gesetzesbegründung der Landesregierung für die Veröffentlichung der Bezüge heißt.
Das rheinland-pfälzische Transparenzgesetz enthält damit genau die Position, die die CDU in Schleswig-Holstein vertritt: Ja zu einer gesetzlichen Regelung auf Landesebene, aber nicht von oben herab den Kommunen etwas vorschreiben, was diese in eigener Entscheidungskompetenz genauso gut selber regeln können.

Vizepräsident Bernd Heinemann:
Herr Abgeordneter Koch, gestatten Sie eine Zwischenbemerkung
oder -frage des Herrn Abgeordneten Dr. Breyer?

Tobias Koch [CDU]:
Immer gern.

Vizepräsident Bernd Heinemann:
Bitte schön.

Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Herr Kollege Koch, wenn Sie schon die Praxis von Rot-Grün in anderen Ländern zum Vorbild nehmen, würden Sie den Kolleginnen und Kollegen, die mit der Materie nicht so vertraut sind, bestätigen, dass der ebenfalls rotgrüne Entwurf in Nordrhein-Westfalen, das rote Gesetz in Hamburg - so sage ich einmal -, das Gesetz in Berlin allesamt Sparkassen und die kommunale beziehungsweise städtische Ebene umfassen?

(Zuruf Lars Winter [SPD])

Tobias Koch [CDU]:
Das kann ich nicht bestätigen, weil das Gesetz in Nordrhein-Westfalen kein rot-grüner Entwurf war, sondern auf die CDU/FDP-Regierungszeit zurückgeht. Das hilft mir in der Argumentation nicht so richtig weiter; das sehe ich ein.

(Heiterkeit)

Ich will mich da herauslavieren, indem ich sage: Der aktuelle Gesetzentwurf ist der in Rheinland Pfalz. Er befindet sich seit wenigen Tagen dort in der Beratung. Insofern haben die aus RheinlandPfalz offensichtlich aus der Erfahrung im Nordrhein-Westfalen gelernt und die richtigen Schlüsse daraus gezogen. Das sollten wir genauso tun.

(Vereinzelter Beifall CDU - Zuruf Dr. Kai Dolgner [SPD])

Meine Damen und Herren, mit dieser Positionierung machen wir keinen Rückzieher und erst recht keine Kehrtwende. Wenn Sie sich meine Rede im Rahmen der ersten Lesung zu diesem Gesetzentwurf im Oktober des letzten Jahres anschauen, werden Sie feststellen, dass ich mich auch damals schon sehr kritisch mit der im Gesetz formulierten Hinwirkungspflicht auseinandergesetzt habe. Sie wissen ganz genau, dass das Land nicht die gesetzgeberische Zuständigkeit hat, um den Kommunen bei der zur Veröffentlichung von Bezügen Vorschriften zu machen. Ansonsten hätten Sie es einfach in das Gesetz hineinschreiben können. Stattdessen wählen Sie den Umweg - quasi durch die Hintertür - mit einer Hinwirkungspflicht für kommunale Vertreter in den Unternehmensgremien. Damit heben Sie den Verfassungsgrundsatz der kommunalen Selbstverwaltung auf, und das ist für uns als CDU nicht akzeptabel.

(Beifall Volker Dornquast [CDU])

Sicherlich gibt es mitunter die Notwendigkeit, unterschiedliche Rechtsnormen gegeneinander abzuwägen.
Ein Beispiel dafür haben wir in der mündlichen Anhörung erlebt, als uns der Datenschützer erläuterte, dass das öffentliche Interesse an Transparenz stärker wiegen würde als die informationelle Selbstbestimmung des Einzelnen. Ich fand das eine bemerkenswerte Argumentation. Man könnte damit in anderem Zusammenhang genauso argumentieren, dass das öffentliche Interesse an Sicherheit stärker wiegen würde als der Schutz von personenbezogenen Daten. Aber gut, das ist eine andere Debatte, die ich jetzt an dieser Stelle nicht führen will.
Wie ließe sich nun aber ein Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützte kommunale Selbstverwaltung rechtfertigen? Eine wirklich schlimme Begründung kam dafür von dem Vertreter von Transparency in der mündlichen Anhörung. Er argumentierte sinngemäß, die kommunalen Abgeordneten würden den Vorständen von Stadtwerken, Sparkassen und kommunalen Unternehmen die dicken Gehälter zuschanzen, weil diese im Gegenzug den örtlichen Sportverein fördern würden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD, GRÜNEN und SSW, ich bin mir sicher, dass ist nicht Ihre Position, das ist nicht das Bild, das Sie von unseren Gemeindevertretern und Kreistagsabgeordneten haben. Sie müssen sich aber schon bewusst sein, dass Sie genau diesem Misstrauen und diesen Vorurteilen Vorschub leisten, indem sie die kommunalen Vertreter mit einer Hinwirkungspflicht quasi entmündigen. Auch wenn ich Ihnen in keiner Weise unterstellen will, dass Sie die Sichtweise des Vertreters von Transparency teilen, so fehlt es Ihnen anscheinend doch an genügend Vertrauen zu unseren kommunalen Abgeordneten.
Es bedarf keines Eingriffs in die kommunale Selbstverwaltung, wenn Sie den demokratisch gewählten Vertreterinnen und Vertretern in den Gemeindevertretungen und Kreistagen genügend zutrauen würden, über die Veröffentlichung von Bezügen in eigener Verantwortung zu entscheiden.

(Vereinzelter Beifall CDU)

Deshalb wundert es auch überhaupt nicht, dass bei diesem Gesetzesvorhaben die kommunalen Landesverbände, aber auch die Verbände der kommunalen Unternehmen und der Sparkassen nicht an Ihrer Seite sind, sondern Sie diese geschlossen gegen sich haben. Wenn Sie aber schon derartige Regelungen für die kommunale Ebene vornehmen, dann wäre es das Mindeste gewesen, dass Sie den Konnexitätsgrundsatz beachten und den zusätzlichen finanziellen Aufwand ausgleichen.

(Zuruf Beate Raudies [SPD])

- Frau Raudies, auf diesen Einwand habe ich gewartet. Sie werden mir sofort sagen: vollkommen unnötig, das sei finanziell irrelevant, wenn sie das alles in den Abschlussberichten - -

(Zuruf Birgit Herdejürgen [SPD])

Das ist Ihre Argumentation. Die habe ich erwartet. Aber wir haben von Ihnen schon oft genug gehört, dass es nicht notwendig sei, Konnexität herzustellen, denn es würden auf kommunaler Ebene keine Kosten anfallen, nur um anschließend feststellen zu müssen, dass millionenschwere Ausgleichszahlungen an die Kommunen fällig wurden.

(Dr. Kai Dolgner [SPD]: Jetzt mal konkret eine Beispielrechnung!)

Meine sehr geehrte Damen und Herren, die CDU Fraktion stimmt der Veröffentlichung von Bezügen zu, sofern es sich dabei um juristische Personen des öffentlichen Rechts auf Landesebene handelt,

(Beifall CDU)

sofern es sich dabei um private Unternehmen mit Landesbeteiligung handelt.

Vizepräsident Bernd Heinemann: Kommen Sie bitte zum Schluss.

Tobias Koch [CDU]:
Wir stimmen ebenfalls bei Landesbeteiligung oder Zuwendungsempfängern des Landes zu.

Vizepräsident Bernd Heinemann: Gestatten Sie noch eine letzte Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Dolgner?

(Volker Dornquast [CDU]: Ob es die letzte ist, weiß ich nicht!

- Dr. Kai Dolgner [SPD]: Eine letzte Frage von mir? Na, ich weiß nicht! Ich bin ja selber in kommunalen Aufsichtsräten!
- Weitere Zurufe)

Tobias Koch [CDU]: Immer.

Dr. Kai Dolgner [SPD]: Herr Kollege Koch, können Sie mir vielleicht doch - ich bin ja ein neugieriger Mensch - in diesem konkreten Beispiel, also nicht mit einem abstrakten Verweis, darstellen, wo Konnexität gegeben ist? Sie wissen, dass bei Konnexität verschiedene Auflagen erfüllt sein müssen. Es muss eine Aufgabe übertragen werden oder bei der Aufgabenerfüllung ein Standard höher gesetzt werden, und es muss ein direkter zahlenmäßiger Nachweis der kommunalen Gebietskörperschaft sein. Können Sie mir - Sie haben auch kommunale Erfahrung - für Ihre Gebietskörperschaft einen Fall konstruieren, wie viele Mehrkosten es geben würde, wenn man die Bezüge des Geschäftsführers eines kommunalen Unternehmens ganz normal in Ihrem Amtsblatt veröffentlicht, das Sie sicherlich auch haben?

- Herr Kollege Dr. Dolgner, im Grunde war die Antwort in Ihrer Frage enthalten. Sie setzen einen neuen Standard, nämlich die Veröffentlichung von Bezügen, eine Konkretisierung dieser Aufgabenwahrnehmung,
Veröffentlichung von Bezügen. Das wird gewissen Mehraufwand mit sich bringen. Ich kann ihn nicht beziffern. Das war aber auch nicht die Frage.

- Doch, das war die Frage!

- Es wird einen gewissen Mehraufwand mit sich bringen, weil es gewissen Koordinierungs-, Abstimmungs-, Beratungsbedarf, Gremiensitzungen gibt, weil es entsprechend zu veröffentlichen ist, in welcher Form auch immer. Wir brauchen hier gar nicht über die Höhe zu streiten. Es geht hier um den Grundsatz der Konnexität. Sie sagen immer, das sei zu vernachlässigen, das sei gering, das spiele gar keine Rolle. Das war auch heute in Ihren Zwischenrufen Ihre Argumentation.
Genau das haben wir bereits mehrfach erlebt. Hinterher mussten wir dann feststellen, dass doch Kosten anfallen. Sie vereinbaren mit den Kommunen dann anschließend millionenschwere Ausgleichszahlungen.
Wir wollen mal gucken, ob wir das bei diesem Gesetz auch erleben werden.

Vizepräsident Bernd Heinemann:
Herr Abgeordneter Koch, gestatten Sie eine Nachfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Dolgner?

Tobias Koch [CDU]:
Ich meine, seine Frage von vorhin ist damit beantwortet.
Das war in der Tat nicht das stärkste Argument, aber es ist zu berücksichtigen. Man kann sich nicht einfach immer über bestehende Rechtsgrundsätze hinwegsetzen.

Vizepräsident Bernd Heinemann:
Bitte schön, Herr Abgeordneter Dr. Dolgner.
Dr. Kai Dolgner [SPD]: Das, was das tatsächlich kostet, gehört auch zu den Rechtsgrundsätzen der Konnexität.

(Zuruf CDU)

- Ja, es ist doch so. Wenn Herr Koch einen solchen Vorwurf in den Raum stellt, dann interessiert mich das auch zahlenmäßig. Ich nehme aber zur Kenntnis, dass die Länge der Gremiensitzungen nach Ihrer Auffassung zu erheblichen Mehrkosten führt. Das finde ich spannend. Dann haben Sie auch Kosteneinsparpotenziale für die Verwaltung anhand der Länge der Gremiensitzungen. Ich finde Ihre Argumente sehr bedenkenswert und teilweise auch bedenklich. - Dies war aber nur eine Bemerkung.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Tobias Koch [CDU]:
Herr Kollege Dr. Dolgner, wir lesen das im Protokoll noch einmal nach. Von Länge der Gremiensitzungen habe ich, glaube ich, nicht gesprochen, sondern von Mehraufwand bei den Gremiensitzungen, von Vorbereitung und Koordination und vielleicht auch noch von der Anzahl von Gremiensitzungen, um etwas vorzubesprechen und zu klären. Aber noch einmal: Es ist ein winzig kleiner Teilaspekt.
Sie sollten jetzt nicht versuchen, Nebelkerzen zu werfen. Ich lasse dazu jetzt auch keine weiteren Fragen mehr zu. Das ist in der Tat nur ein Detailpunkt.
Dass Sie sich damit aber noch nicht einmal beschäftigt haben, dass Sie in Ihrem Gesetzesvorhaben darauf noch nicht einmal eingehen, weil Sie es gar nicht für nötig halten, in Ihrem Gesetzentwurf darauf einzugehen, Herr Dr. Dolgner, halte ich wiederum für bedenklich.

(Zuruf Dr. Kai Dolgner [SPD])

Sie haben sich mit der Frage der Konnexität nicht beschäftigt. Sie stellen nämlich fest, Konnexität sei nicht gegeben. So etwas haben Sie schon öfter gemacht.
Immer wieder stellen wir dann aber hinterher fest, es ist doch so, es ist Konnexität gegeben. Sie dagegen vernachlässigen das am Anfang immer.
Das war meine Botschaft, und das gilt in diesem Fall genauso.
Ich möchte nun gern zum Ende meiner Rede kommen.

(Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Danke!

- Heiterkeit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir wären bereit - das macht unser Änderungsantrag auch deutlich -, der Grundintention dieses Gesetzentwurfs auf Landesebene zuzustimmen. Die Artikel 1 und 2 sind für uns völlig unstrittig. Wir lehnen aber die Regelungen durch die Hintertür für die kommunale Ebene ab. Deshalb schlagen wir vor, die Artikel 3 bis 5 zu streichen.
Sollte dieser Änderungsantrag keine Mehrheit finden, sehen wir uns leider gezwungen, auch dem gesamten Gesetzesvorhaben unsere Zustimmung zu verweigern. - Herzlichen Dank.

(Beifall CDU)